Geschichte des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
Erste Missionstätigkeit und die Gründung der Bistümer Ratzeburg und Lübeck
Unter Kaiser Otto I. begann die Missionstätigkeit im Land der Polaben und Obotriten, die aber 982 durch einen Slawenaufstand und die Zerstörung des Missionsbistums Oldenburg einen Rückschlag erlebte. Erst im 11. Jahrhundert wurde die Mission wieder verstärkt aufgenommen. 1043 richtete der christlich erzogene und getaufte Obotritenfürst Gottschalk in Einvernehmen mit Erzbischof Adalbert von Bremen das Bistum Oldenburg wieder ein und ließ auf dem St. Georgsberg bei Ratzeburg ein Kloster einrichten. Im großen Slawenaufstand 1066 wurde dieses Kloster zerstört; Ansverus und achtzehn Mönche wurden von den Aufständischen gesteinigt.
Erst unter Bischof Vizelin wurde die Missionstätigkeit von Norden aus kommend wieder aufgenommen. Einer seiner Stützpunkte war Lübeck, das Graf Adolf II. von Schauenburg an Stelle der 1138 in Folge von Stammesfehden zerstörten slawischen Siedlung Alt-Lübeck gegründet hatte. Die Bewohner waren bereits Christen, so dass Vizelin 1150 ein erstes Gotteshaus weihte.
1154 gründete Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, die Bistümer Ratzeburg, Oldenburg und Mecklenburg neu. Zum Bischof von Ratzeburg wurde Evermod, Prämonstratenserabt in Magdeburg, ernannt. Er residierte zunächst auf dem St. Georgsberg. Der Bau des Doms wurde 1165 begonnen. Der Oldenburger Bischofssitz wurde 1160 nach Lübeck verlegt, nachdem die durch einen Brand zerstörte Stadt ein Jahr zuvor von Heinrich dem Löwen wiederbegründet worden war. 1163 wurde eine hölzerne Bischofskirche errichtet, und 1173 wurde unter Bischof Heinrich I. der Grundstein für den steinernen Dom gelegt.
In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde in der Stadt Lübeck und im Herzogtum Sachsen-Lauenburg die Pfarrorganisation aufgebaut. In Lübeck wurden neben dem Dom vier Pfarrkirchen errichtet (in Klammer urkundliche Ersterwähnung): St. Marien (1170), St. Petri (1170), St. Jakobi (1227) und St. Aegidien (1227). Im Herzogtum Sachsen-Lauenburg waren wohl noch zur Zeit Heinrichs des Löwen die Kirchspiele Sterley, Gudow, Seedorf, Nusse und Breitenfelde (erste urkundliche Erwähnung 1194) und Lütau entstanden. Im Zehntregister des Ratzeburger Bischofs von 1230 werden als weitere Kirchspiele Berkenthin, Krummesse, Grönau, Büchen, Lütau, Siebeneichen, Geesthacht und Kuddewörde erwähnt. Durch Abtrennung von den Mutterkirchen entstanden in den folgenden zwei Jahrhunderten weitere Kirchspiele und Kapellen. Ebenso erhielten die im 13. Jahrhundert gegründeten Städte Ratzeburg, Mölln und Lauenburg eigene Kirchen.
Die Reformation
Um 1520 tauchen im Herzogtum Lauenburg erste lutherische Wanderprediger auf. In Lübeck wirkten Johann Walhoff und Andreas Wilms 1529 als erste evangelisch geprägte Prediger an den Stadtkirchen St. Marien und St. Aegidien. Im selben Jahr kam es zum Sängerkrieg, bei dem lutherisch gesonnene Bürger in Messen, die ihnen zu katholisch erschienen, lutherische Lieder anstimmten. 1530 machte der Bürgerausschuss den Erlass neuer Steuern von der Zulassung lutherischer Prediger abhängig. Luthers Beichtvater und Mitarbeiter Johannes Bugenhagen wurde mit der Verfassung einer Kirchenordnung für Lübeck beauftragt, die 1531 offiziell verkündigt wurde. Von der Reformation blieb zunächst das Domkapitel ausgenommen. Erst Bischof Eberhard von Holle vollzog hier 1561 die Reformation.
Die Reformation im Herzogtum Lauenburg entzündete sich an dem Konflikt zwischen Herzog Magnus I. und dem Ratzeburger Domkapitel. Der Herzog hatte mehrere Versuche unternommen, das Ratzeburger Stiftsland an sich zu reißen. 1524 versuchte Magnus I., seinen Bruder Johann als neuen Bischof berufen zu lassen, aber das Domkapitel setzte Georg von Blumenthal ein, der sich bis zu seinem Tod 1550 allen reformatorischen Bestrebungen verschloss. Magnus machte von seinem herrschaftlichen Patronatsrecht Gebrauch und besetzte die Pfarrstellen mit lutherischen Predigern. 1531 wurde durch ein Mandat offiziell die lutherische Lehre im Herzogtum Lauenburg eingeführt. Um die diplomatischen Versuche zur Erlangung des Ratzeburger Stiftslandes nicht zu gefährden, wurde zunächst keine Kirchenordnung erlassen. Erst 1585 beauftragte Herzog Franz II. den Lübecker Superintendenten Pouchenius mit der Abfassung der Lauenburgischen Kirchenordnung und vollzog damit auch offiziell die Reformation.
Die Kirche bis zum 19. Jahrhundert
Lübeck entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert zum Zentrum Lutherischer Orthodoxie. Juden und Angehörige anderer christlicher Konfessionen oder theologischer Strömungen wurde nur zögerlich Aufenthalt und Wirken in der Stadt erlaubt. Andererseits erlebten Kirchenmusik und bildende Kunst eine Blüte.
Die Lübecker Verfassung vom 17. Januar 1849 markiert das Ende der Staatskirche in Lübeck. Das Schulwesen wurde der kirchlichen Aufsicht entzogen und es wurde die Zivilehe eingeführt. Außerdem wurden die Konfessionen nun gleichgestellt.
Bei der Kirchenreform 1871 wurde der Senior mit bischöflichen Aufgaben betraut. 1895 übertrug der Senat seine wesentlichen Rechte einem Kirchenrat und der Synode als Vertretung der Gemeinde.
Im Herzogtum Lauenburg überdauerte die Kirchenordnung von 1585 das Aussterben des askanischen Fürstenhauses im Jahr 1689 und alle nachfolgenden Herrschaftswechsel. Erst mit der Einverleibung des Herzogtums in die preußische Provinz Schleswig Holstein änderten sich die kirchenrechtlichen Verhältnisse. Am 24. Juli 1876 wurde die Befugnis des Schleswig-Holsteinischen Konsistoriums auf das Herzogtum Lauenburg erweitert. Am 4. November 1876 wurde die Schleswig-Holsteinische Kirchengemeinde- und Synodalordnung nach Zustimmung der Synode für die Kirchengemeinden des Kreises Herzogtums Lauenburg eingeführt. Damit war die Lauenburgische Landessuperintendentur verwaltungsmäßig zwar den übrigen schleswig-holsteinischen Propsteien gleichgestellt, allerdings wird der in der Kirchenordnung von 1585 formulierte Bekenntnisstand anerkannt und Landessuperintendenten ein Mitspracherecht neben den beiden Bischöfen eingeräumt.
Die unterschiedlich enge Bindung der Kirche an die staatliche Obrigkeit in Lauenburg und Lübeck wirkte sich im Verhältnis der Kirche zum Nationalsozialismus aus. In Lübeck richtete der Kirchenrat eine Eingabe an den Senat, einen Senatskommissar für Kirchenfragen zu ernennen. In Lübeck konnte der NS-Senat ab 1933 über den vom ihm beherrschten Kirchenrat Einfluss auf die Lübecker Kirche gewinnen und 1934 die Gleichschaltung der Lübecker Landeskirche mit der Reichskirche durchführen. Die Verfassung sah als Leiter der Kirche einen Bischof vor, der vom Kirchenausschuss ernannt wurde. Seitens des Kirchenausschusses wurde Erwin Balzer als Kandidat vorgeschlagen und gewählt. Die Gleichschaltung der Lübecker Kirche führte zur Spaltungen in den Gemeinden und in der Pastorenschaft. Im November 1933 schlossen sich vierzehn der 28 Lübecker Pastoren dem Pfarrernotbund von Martin Niemöller an. In den folgenden Jahren kam es zum Kirchenkampf, der 1936 zur Dienstenthebung von neun Geistlichen führte. Eine weitere Folge des Kirchenkampfes war die Möllner Notkonfirmation. Die Konfirmanden der neun unter Hausarrest gestellten Pastoren akzeptierten es nicht, durch Pastoren der Deutschen Christen eingesegnet zu werden. Sie fuhren am Palmsonntag (20. März 1937) in einem Sonderzug nach Mölln, wo sie von Pastor Dr. Ernst Mohr aus Flensburg unter Mitwirkung der Möllner Pastoren eingesegnet wurden. 1942 wurde Pastor Karl Friedrich Stellbrink verhaftet, weil er Predigten des Münsteraner Kardinals von Galen verbreitet und in Predigten die nationalsozialistische Ideologie kritisiert hatte. Er wurde zusammen mit den katholischen Geistlichen Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 10. November 1943 in Hamburg hingerichtet.
Im Herzogtum Lauenburg gelang es dem Landessuperintendenten Dr. Johannes Peter Lange durch seelsorgerische Beratung und Führung der Pastoren einen Ausbruch des Kirchenkampfes zu vermeiden. Unter anderem ermöglichte er die Möllner Notkonfirmation und die Ordination der der Bekennenden Kirche angehörenden Predigtamtskandidaten in Ratzeburg.
Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg
Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war sowohl im Kreis Herzogtum Lauenburg als auch in Lübeck durch die Behebung der Kriegsschäden und die Linderung der Not der Einheimischen und Flüchtlinge geprägt. Durch den Zustrom der Flüchtlinge hatte sich die Einwohnerzahl in Lübeck und im Kreis Herzogtum Lauenburg nahezu verdoppelt. Aus diesem Grund entstanden in Lübeck in den 50er und 60er Jahren neue Kirchengemeinden. Im Kreis Herzogtum Lauenburg wurden ebenfalls neue Kirchengemeinden gegründet bzw. bestehende Gemeinden durch zusätzliche Pfarrstellen und Predigtstätten erweitert.
1977 verlor die Lübecker Kirche mit der Gründung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche den Status einer eigenständigen Landeskirche. Ebenso wurde auch die Lauenburgische Landessuperintendentur zu einem Kirchenkreis innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Erster Propst des Kirchenkreises Lübeck wurde Karlheinz Stoll, erster Propst im Kirchenkreis Herzogtum Lauenburg wurde Dr. Hermann Augustin. Der Dom zu Lübeck wurde Predigstätte des nordelbischen Bischofs für den Sprengel Holstein-Lübeck.
Zum 1. Mai 2009 fusionierten die Kirchenkreise Herzogtum Lauenburg und Lübeck zum Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg.
Wer sich für die Geschichte des Kirchenkreises interessiert, kann den Bildband „Salz der Erde – Licht der Welt – Evangelisch-Lutherische Kirche zwischen Trave und Elbe“ mit Texten von Dr. Claudia Tanck und Fotografien von Manfred Maronde käuflich erwerben. Das Buch ist 2016 im Hinstorff-Verlag in Rostock erschienen und kann zum Preis von € 29,99 in den Kirchenkreisverwaltungen in Lübeck und Ratzeburg sowie im örtlichen Buchhandel bezogen werden.