Die Geschichte der St.-Jürgen-Kirchengemeinde
Der Lübecker Stadtteil St. Jürgen hat seinen Namen von dem mittelalterlichen St.-Jürgen-Hospital erhalten. Das Leprosenhaus lag ursprünglich außerhalb der Stadtmauer nahe dem Mühlentor und wird urkundlich erstmals 1290 erwähnt. Im Zuge der Erweiterung der Wälle und Verteidigungsanlagen wurde die alte St.-Jürgen-Kapelle 1629 abgebrochen und 1646 durch einen Neubau an der heutigen Stelle an der Ratzeburger Allee errichtet. Die Kapelle hat einen kreuzförmigen Grundriss und der Innenraum Raum wird durch ein Kreuzrippengewölbe abgeschlossen.
Die Ausstattungsstücke wurden zum Teil aus dem abgebrochenen Vorgängerbau übernommen. Das älteste Objekt ist eine Grabplatte aus dem Jahr 1391, die heute als Deckplatte des Altars dient. Aus der Vorgängerkapelle stammen auch die Glocke aus dem Jahr 1548, die in dem hölzernen Glockenturm vor dem Gebäude hängt, und die hölzerne Kanzel von 1616. Das Relief des heiligen Georg aus Kalkstein von 1645, das ursprünglich an der südlichen Außenwand hing, wurde durch eine Kopie ersetzt und befindet sich jetzt links vom Altar.
Bevölkerungsentwicklung in St. Jürgen
Die über Jahrhunderte nur dünn besiedelte und weitgehend ländlich geprägte Vorstadt St. Jürgen wurde einschließlich des Hospitals kirchlich vom Dom versorgt. Im 19. Jahrhundert setzte eine stärkere Besiedlung der St.-Jürgen-Vorstadt ein. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war die Bevölkerung in St. Jürgen bereits so stark angewachsen, dass 1931 in der Plönniesstraße die Kreuzkapelle als weitere Gottesdienststätte errichtet wurde. Einen weiteren starken Bevölkerungsanstieg erlebte die Vorstadt St. Jürgen nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zustrom und die Ansiedlung vieler Flüchtlinge. In Folge dieser Entwicklung wurde die Domgemeinde zum 1. Oktober 1950 in zwei selbständige Teile geteilt. Es entstand die Kirchengemeinde St. Jürgen.
Neue Gemeinden entstehen
Aus dem zweiten Pfarrbezirk von St. Jürgen ging 1962 die Kirchengemeinde St. Martin hervor. Die St.-Martin-Kirche wurde nach Plänen des Lübecker Architekten Heinz Bahr errichtet. Dem Bauwerk liegt die Idee des Zeltes als Hauses Gottes aus dem Alten Testament zu Grunde. An den Namenspatron der Kirche erinnert die Bronzestatue des Heiligen Martin, die 1977 von Professor Marcks wurde.
Im westlichen Teil von St. Jürgen hatte sich um die Kreuzkapelle ein eigenes Gemeindezentrum entwickelt, aus dem 1956 die Kreuzkirchengemeinde hervorging. Weil die bestehende Kapelle für die Kirchengemeinde nicht mehr ausreichte, wurde an der Billrothstraße zwischen 1969 und 1971 nach den Plänen des Hamburger Architekten Friedhelm Grundmann ein neues Gemeindezentrum mit Kirche, Gemeindehaus, Pastorat, Küsterwohnung und Schwesternstation errichtet. In der damals modernen, aber im Kirchenbau noch ungewöhnlichen Betonbauweise entstand hier eines der damals modernsten Gemeindezentren in Lübeck, das behindertengerecht gebaut war und somit von Anfang an gute Möglichkeiten für die Arbeit mit jungen und alten Menschen bot. Der in das Kirchengebäude integrierte Turm wird seit 1983 durch ein plastisch gestaltetes Aluminiumkreuz nach einem Entwurf des Hamburger Bildhauers Hans Kock bekrönt, das aus jeder Perspektive als Kreuz sichtbar ist.
Als jüngste Kirchengemeinde in St. Jürgen entstand im südöstlichen Teil der Vorstadt 1968 St. Augustinus. 1972 wurden am Falkenhusener Weg die St.-Augustinus-Kirche und das Gemeindehaus gebaut.
Fusionen entstehen
Rückläufige Gemeindegliederzahlen in den Kirchengemeinden des Stadtteils St. Jürgen führten dazu, dass die kirchengemeindliche Arbeit gebündelt werden musste. 2002 fusionierten die Kirchengemeinden St. Jürgen und St. Augustinus zur Kirchengemeinde St. Jürgen, und 2005 schloss diese sich mit der Kreuzkirchengemeinde und St. Martin zur Kirchengemeinde in St. Jürgen zusammen.
Dieser Text ist ein verkürzter Auszug aus dem Bildband „Salz der Erde – Licht der Welt – Evangelisch-Lutherische Kirche zwischen Trave und Elbe“ mit Texten von Dr. Claudia Tanck und Fotografien von Manfred Maronde. Das Buch ist 2016 im Hinstorff-Verlag in Rostock erschienen und kann zum Preis von € 29,99 in den Kirchenkreisverwaltungen in Lübeck und Ratzeburg sowie im örtlichen Buchhandel bezogen werden.