Bei Elke*) klingelte das Telefon. Birgit rief an. Die Freundinnen hatten sich in Hamburg bei einem Song-Festival kennengelernt. Birgit berichtete Elke von einem Gospel-Workshop, der im Februar in Büchen stattfinden sollte. Sie wollte Elke dazu einladen. Elke war spontan begeistert von der Idee, denn sie stammt aus dem Kreis Herzogtum-Lauenburg und lebt jetzt in Hamburg. Raus auf’s Land und mit netten Leuten singend ein Wochenende verbringen, das würde Abwechslung in ihren Alltag bringen. Der wiegt gerade sehr schwer. Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes verlor sie den Mut für einen Neubeginn. Elke packte eine kleine Reisetasche und fuhr mit der Bahn nach Büchen. Sie übernachtete bei Birgit, so hatten die Freundinnen neben der Workshop Arbeit viel Zeit zum Reden.
Gelungener Workshop mit knapp 50 Teilnehmenden
Fast fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich zum Workshop angemeldet. Am Freitag, dem 21. Februar 2020, ging es um 18 Uhr mit der ersten Probe los. Björn Mummert, ein mittelgroßer, sportlicher, leger gekleideter Endfünfziger aus Schleswig leitete in diesem Jahr den traditionellen Workshop des Büchener Gospelchores. Seine Stimme kam mir zunächst leise vor, fast schüchtern, aber sie konnte auch laut sein. Bereits beim Einsingen brachte er uns Tarzan ähnliche Urwaldgeräusche bei. Seine Hände sprachen eine eigene Sprache. Wenn eine Hand auf ihn zeigte, bedeutete das: erst zuhören, dann nachsingen. In kürzester Zeit bespielte er seine ganze Bühne. Er gab dem Alt Anweisungen, sang dem Tenor vor und gab dem Sopran den Ton an. Seine Konzentration war voll und ganz bei uns Teilnehmern. Die musikalische Begleitung lieferte Frederik Stockfleth, der für die Dauer des Workshops in die Rolle der Klavierbegleitung schlüpfte. Für Freddy, wie er von den Chormitgliedern liebevoll genannt wurde, war dies eine außergewöhnliche Rolle. Gibt er sonst im Büchener Gospelchor den Ton an, so wartete er jetzt auf Anweisungen des Gast-Chorleiters Björn Mummert. Nachdem zwischen den beiden Musikern die Kommunikation weitgehend abgestimmt war, setzte Freddy seine ganze Virtuosität ein, um nicht nur die Saiten des Flügels, sondern auch unsere Seelen zum Schwingen zu bringen. Mit dem Lied „This little light of mine“ haben wir uns warm gesungen und unsere Haltung verbessert. „Stell‘ Dir vor, Du hättest eine brennende Kerze auf dem Kopf. Wenn Du beim Singen nicht strahlst, geht sie aus“, belehrte uns Björn Mummert. Wir strahlten und sangen und ein Segen lag über dem Gemeindesaal im Lindenweg.
Täglichen Stress abschütteln
In der Pause lernte ich ein Ehepaar kennen. „Unsere Kinder sind dieses Wochenende das erste Mal allein bei der Omi“, verriet mir Monika. Sie hat für sich und ihren Mann dieses Wochenende „freigeschaufelt“, um an dem Workshop teilzunehmen. Als Yogalehrerin weiß sie nur zu gut, wie wichtig es ist, den täglichen Stress abschütteln zu können. Als sie von diesem Angebot hörte, wollte sie es mit ihrem Mann zusammen ausprobieren. Sie hatte wenig Gesangserfahrung, aber immerhin sang sie den Kindern regelmäßig Schlaf- und Gutenachtlieder vor. Am Ende des Workshops, nach dem Konzert, leuchteten ihre Augen: „Es hat geklappt, mit den Kindern bei der Omi. Ja, und mit der Entspannung auch. Obwohl die Proben fordernd waren, ist der Kopf jetzt frei für die nächsten Herausforderungen des Alltags.“
Eintstudieren der Musikstückes
Susanne ist Tierärztin und reist jedes Jahr 30 Kilometer aus ihrem Heimatort an, um an den Workshops teilzunehmen. Ich war sehr froh, dass sie bei den Proben neben mir saß, denn sie sang sehr laut und deutlich, verpasste keinen Einsatz und traf verlässlich die Töne. Schon nach der ersten Probeneinheit hatten sich ihre kleinen Patienten, die Meerschweinchen und Wüstenspringmäuse aus ihren Gedanken verflüchtigt, zugunsten eines trällernden „Le lo la, como un canario“. Björn Mummert hatte extra für diesen Workshop eine vierstimmige Messe komponiert. In unserer Gruppe gab es nur drei Bässe. Für diese Herren war es besonders schwer, die Töne zu halten, da sie von klangschwangeren Tenören und energischen Altstimmen umgeben waren. Am Ende reichte die Zeit leider nicht, um die ganze Messe einzustudieren. Die Sätze, die wir im Konzert präsentieren konnten, waren zwar kurz aber kamen beim Publikum hervorragend an.
Erfüllung eines Traumes
Sönke hatte erst mit fünfzig Jahren den Weg zur Musik gefunden. Er erfüllte sich einen Traum und lernte Saxophon spielen. Über das Musizieren kam er dann zum Gesang. In seinem Beruf als Sozialpädagoge unterstützt er Jugendliche am Ende ihrer Schulzeit dabei, den richtigen Ausbildungsberuf zu finden und vor allem, dabei zu bleiben und nicht aufzugeben. Da ist er sicherlich den Schülern ein gutes Vorbild, weil es ihm selbst so unglaublich viel Freude bereitet immer wieder dazuzulernen. Im Workshop hat er sein Musikernetzwerk um einige neue Kontakte erweitern können.
Körper als Klangkörper
Am Samstagabend waren alle Teilnehmer sehr erschöpft. Der eigene Körper war zum Klangkörper geworden und hatte viele Lieder in sich aufgenommen. Doch wirklich sicher fühlten wir uns nicht. „Ich weiß nicht, ob ich das bis morgen alles behalten kann“, flüsterte eine Teilnehmerin der anderen ins Ohr. Die Erfahrenen konnten berichten, dass sich unmerklich über Nacht alle Töne in der richtigen Reihenfolge und am richtigen Platz festsetzen, um in der Generalprobe gestärkt und erfrischt zu erklingen. Aus vielen, kleinen Unvollkommenheiten wird am Ende ein großes, vollkommenes Meisterstück. So war es dann auch. Ein Applaus durchschüttelte unsere Klangkörper und stärkte unsere Herzen mit Freude und Dankbarkeit.
Beim gemütlichen Ausklang des Workshops wurden viele Kontaktdaten ausgetauscht. Einige wollten auf jeden Fall weitersingen. Dazu gibt der Büchener Gospelchor jeden Freitagabend von 18 Uhr bis 19.30 Uhr Gelegenheit. Die Proben finden ebenfalls im Gemeindesaal im Lindenweg 17, in Büchen, statt.