Die Geschichte der Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck
Die Anfänge des Kirchspiels St. Marien reichen bis in das Jahr 1150 zurück, als Bischof Vizelin eine Kirche in der Kaufmannssiedlung am späteren Marktplatz weihte. Um 1200 wurde mit dem Bau einer dreischiffigen Backsteinbasilika mit einem Westturm begonnen, doch schon um 1250 – möglicherweise in Folge des Stadtbrandes von 1251 – wurde der Bauplan durch Verbreiterung der Seitenschiffe zu einer frühgotischen Hallenkirche nach westfälischem Vorbild verändert. Wenige Jahre später fand eine erneute Änderung der Konzeption nach dem Vorbild der französischen Kathedralgotik statt, die unter anderem auch einen Umgangschor vorsah. Die Herausforderung der Bauleute bestand darin, die künstlerische Formensprache des damals modernen gotischen Stils in Ermangelung von Natursteinen in Backstein umzusetzen. Durch diese Leistung wurde die St.-Marien-Kirche zur Mutterkirche der nordeuropäischen Backsteingotik. Mit der Vollendung der Doppelturmanlage wurde der Bau 1351 abgeschlossen. Unter den Kapellen ragt die am Anfang des 14. Jahrhunderts erbaute Briefkapelle mit ihren einmaligen architektonischen Formen heraus. Bemerkenswert ist das Sterngewölbe, das von zwei schlanken Freisäulen und achtzehn Wandpfeilern getragen wird.
Bombenangriff an Palmarum 1942
Beim Bombenangriff an Palmarum 1942 brannte die St.-Marien-Kirche mit Ausnahme der Briefkapelle aus. An dieses Ereignis erinnern die herabgestürzten Glocken im Süderturm. Der Wiederaufbau erfolgte mit großer Unterstützung weit über Lübeck hinaus von 1947 bis 1959. Mit dem Wiederaufbau des Dachreiters nach historischem Vorbild im Jahr 1979/80 erhielt die Marienkirche ihr altes äußeres Erscheinungsbild vollständig zurück. Weil bei dem Bombenabgriff ein Großteil der alten Innenausstattung vernichtet wurde, erfuhr der Innenraum nach Plänen von Professor Denis Boniver eine Neugestaltung. Über Jahrhunderte war die Marienkirche weiß getüncht, aber nach dem Brand 1942 kam unter der abgeplatzten Farbe die alte gotische Bemalung aus dem 13. und 14. Jahrhundert wieder zum Vorschein. Die zerstörten historischen Fenster wurden durch moderne Schöpfungen ersetzt, wofür namhafte Künstler wie Hans Gottfried von Stockhausen (Auferstehungsfenster in der Turmhalle) und Markus Lüpertz (Tympanonfenster über dem Nordportal) gewonnen wurden. An den 1942 vernichteten Totentanzfries von Bernt Notke erinnert das Totentanzfenster von Alfred Mahlau. Die ebenfalls zerstörte Astronomische Uhr wurde 1967 unter Einbeziehung moderner astronomischer Kenntnisse nachgebaut.
Neugestaltung der Kirche
Die Neugestaltung der Kirche erfolgte mit den Kunstwerken, die gerettet werden konnten. Unter anderem wurde anstelle des schwer beschädigten und abgetragenen Fredenhagenaltars im Chor der aus der Bürgermeisterkapelle stammende, am Ende des 15. Jahrhunderts von Christian Swarte geschnitzte, Altar aufgestellt. Ein weiteres herausragendes Kunstwerk ist der Marientidenaltar, der 1518 von dem Lübecker Kaufmann Johann Bone bei einem Antwerpener Meister in Auftrag gegeben wurde.
In der Mitte des Altarraums steht die Bronzetaufe, die 1337 von Hans Apengeter gegossen wurde. Bemerkenswert sind auch die zwei Chorschranken zwischen den vier östlichen Chorpfeilern, die um 1515 geschaffen wurden und mit Darstellungen der Passionsgeschichte geschmückt sind.
Die Kirchenmusik in St. Marien
Seit Jahrhunderten bis zum heutigen Tag spielt die Kirchenmusik eine große Rolle an St. Marien. Schon 1377 wird in einem Testament ein Organist an der St.-Marien-Kirche genannt, und 1396 findet erstmals eine Orgel Erwähnung. Eine weit über Lübeck hinausragende Bedeutung bekam Marien im 17. und 18. Jahrhundert, als hier die berühmten Komponisten Franz Tunder (1640 bis 1677) und Dietrich Buxtehude (1667 bis 1707) als Organisten wirkten und Lübecks Ruhm als Musikstadt begründeten. Sie schufen hier nicht nur herausragende Kompositionen, sondern setzten mit den „Lübecker Abendmusiken“ und Konzertveranstaltungen neue kirchenmusikalische Akzente. Heute gibt es an St. Marien zwei Orgeln: Die 1985/6 neu erbaute Totentanzorgel und die große Orgel aus der Lübecker Orgelwerkstatt Kemper, die bei ihrer Fertigstellung 1968 mit 101 Registern und 8512 Pfeifen seinerzeit die größte Orgel der Welt mit mechanischer Traktur war.
Dieser Text ist ein verkürzter Auszug aus dem Bildband „Salz der Erde – Licht der Welt – Evangelisch-Lutherische Kirche zwischen Trave und Elbe“ mit Texten von Dr. Claudia Tanck und Fotografien von Manfred Maronde. Das Buch ist 2016 im Hinstorff-Verlag in Rostock erschienen und kann zum Preis von € 29,99 in den Kirchenkreisverwaltungen in Lübeck und Ratzeburg sowie im örtlichen Buchhandel bezogen werden.