Spannend. Außergewöhnlich. Unkonventionell. Überraschend. Für die Jugendarbeit in den Gemeinden des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg lassen sich viele Beschreibungen finden. In den kommenden Wochen stellen wir einige innovative und kreative Projekte vor. Heute besuchen wir den Pfadfinderstamm der Lübecker Kirchengemeinde St. Matthäi.
Pfadfinder tragen das Holstentor auf der Kluft
Concordia Domi Foris Pax - Ob Lübecker oder auch nicht, wer schon einmal das Holstentor aus der Nähe inspiziert hat, der weiß auch mit diesem lateinischen Satz etwas anzufangen. „Eintracht im Inneren, Friede nach Außen“ steht allerdings nicht nur in goldenen Lettern über dem weltbekannten Stadtbogen, es ist auch der Leitspruch des evangelischen Pfadfinderstammes St. Matthäi.
Ein Anlaufpunkt für junge Menschen in St. Lorenz-Nord
„Wir wollen nach innen eine gute Gemeinschaft leben, mit tragfähigen Werten und nach außen allem Guten dienen“, sagt Michael Schulze. Vor zwei Jahren hat der Gemeindepastor den Stamm im Stadtteil St. Lorenz-Nord gegründet. „Wir leben in einem dicht bevölkerten Teil Lübecks, der dominiert ist von Häusern, Straßen, Autos. Grün und Natur gibt es kaum“, berichtet der Theologe. 2020 wollte er ein neues Angebot für Kinder und Jugendliche im Viertel schaffen. Drei Dinge waren ihm wichtig: Er wollte einen sozialen Anlaufpunkt schaffen, an dem junge Menschen miteinander Spaß haben können, zugleich aber auch christliche Werte erleben und einen sensitiven Zugang zu Natur, Umwelt und Schöpfung erfahren sollen.
Pastor ist selbst langjähriger Pfadfinder
Ein Dreiklang als Ziel für die Gemeindearbeit, für das Michael Schulze nicht lang nach einem passenden Konzept suchen musste. „Ich bin selbst viele Jahre Pfadfinder gewesen“, sagt der 56-Jährige. Allerdings: „Ich hatte mich mit zunehmendem Alter eigentlich aus der aktiven Pfadfinder zurückgezogen und wollte den Stamm St. Matthäi eigentlich nur in der Gründungsphase mit anschieben und eigentlich nur maximal ein Jahr begleiten.“
Mädchen und Jungen treffen sich immer mittwochs
Doch die Betonung liegt auf eigentlich: Pastor Michael Schulze ist Stammleiter und der Mittwochnachmittag jeder Woche ist in seinem Terminkalender für seine Pfadfinder fest reserviert. 15 Mädchen und Jungen zwischen neun und 12 Jahren sind feste Mitglieder des Stammes. Und wie es sich der Laie vorstellt, so ist es zumeist auch: „Wir verbringen wirklich viel Zeit draußen unter freiem Himmel“, sagt Lasse Bialas. Der 18-Jährige unterstützt Schulze ehrenamtlich bei der Leitung der Gruppe. Der mit alten Obstbäumen umsäumte naturbelassene Garten hinter dem Gemeindehaus in der Westhofstraße ist der perfekte Ort für gemeinsame Spiele, mit denen jedes Treffen startet. Ab dem Frühjahr können die jungen Pfadfinder:innen dann ihr über den Winter erlerntes Wissen, zum Beispiel in Vogelkunde unter Beweis stellen. Ertönt aus der Gruppe „Da, ein Sperling“ ist Pastor und Pfadfinder Schulze zufrieden.
"Es wird keiner ausgeschlossen"
Voller Stolz tragen die Kinder ihre Stammeskluft, ihre Hemden und Tücher. „Der Zusammenhalt in der Gemeinschaft gefällt mir am besten“, sagt die zehnjährige Vanessa. „Es wird keiner ausgeschlossen - jeder ist für den anderen da.“ Für ihren Stammesbruder Ben, ebenfalls zehn Jahre alt, sind es die vielen spannenden Dinge, die es zu erlernen gilt, die ihm am besten gefallen.
Werte und Ideale der Pfadfinderei
Tatsächlich ist das Spektrum an Themen nahezu unerschöpflich. Welche verschiedenen Formen von Knoten gibt es? Wie geht man sicher mit Feuer um? Wie koche ich über offener Flamme? Woran erkennt man Unterkühlungen? Was ist eine stabile Seitenlage und wie funktioniert sie? Oder wie lassen sich eigentlich Windstärken erkennen? „Die Idee zu letzterer Frage kam mir, als ich nach einem Sturm an der Kirche entlang ging und eine heruntergepustete Dachschindel auf dem Rasen entdeckte“, berichtet Schulze. Die Vermittlung von Alltagswissen ist ihm ebenso wichtig wie die Vermittlung von Werten und Idealen der Pfadfinderei. Und wie es sich für einen evangelischen Stamm gehört, versucht der Seelsorger auch geistliche Impulse zu geben - ohne dass die Stammestreffen wie Religionsunterricht in der Schule anmuten würden. Ein christliches Ritual gibt es allerdings schon: „Am Ende eines jeden Treffens beten wir gemeinsam das Vater unser.“
Stamm sucht noch neue Mitglieder
Zurzeit plant der Stamm St. Matthäi die erste Exkursion des neuen Jahres. Gemeinsam steht ein Besuch im Wildpark Eekholt an. Und im Sommer geht es dann mit zwei anderen Pfadfinder-Stämmen zum gemeinsamen Ferienlager nach Brandenburg. Und wer Interesse hat: Der Stamm, der voll Stolz das Holstentor im Abzeichen trägt, sucht noch neue Mitglieder. Gern möchte Pastor Schulze auch eine Gruppe für Zwölf- und 13-Jährige eröffnen. Weitere Informationen gibt es hier. Die Aufnahme neuer Kinder und Jugendlicher findet übrigens immer im Rahmen einer besonderen Zeremonie statt - zu Füßen des Wahrzeichens und des namensgebenden Schriftzuges „Concordia Domi Foris Pax."