Spannend. Außergewöhnlich. Unkonventionell. Überraschend. Für die Jugendarbeit in den Gemeinden des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg lassen sich viele Beschreibungen finden. In den kommenden Wochen stellen wir einige innovative und kreative Projekte vor. Heute besuchen wir das Team von #liveline.
Rushhour in der St.-Jürgen-Kapelle
Freitagabend, kurz nach 17 Uhr. Rushhour in Lübeck. Rund um die Altstadt staut sich der Verkehr. In der Ratzeburger Allee geht es für Autofahrer nur schrittweise vorwärts. Die Hansestadt startet ins Wochenende - mit Ausnahmen wie Jule Klapproth, Jakob Gutsche und etwa 30 weiteren ehren- und hauptamtlichen Akteuren. Für sie beginnt die heiße Phase - die Proben für den Online-Gottesdienst #liveline, der am Sonntag live aus der St.-Jürgen-Kapelle auf tausende Fernseher und Laptops in ganz Deutschland gesendet werden soll.
Aus Lübeck per Stream in alle Welt
Jakob ist seit Anfang an mit dabei. Damals, im Frühjahr 2020, als mit Beginn der Corona-Pandemie Lübecks Pröpstin Petra Kallies und das Pastorenpaar Katja und Heiko von Kiedrowski die Idee zu #liveline hatten. Getreu dem Motto „Wenn die Menschen nicht in den Gottesdienst kommen können, kommt der Gottesdienst eben zu den Menschen nach Hause“. Gemeinsam wurde das Online-Format konzipiert, auf den Weg gebracht, Mitstreiter gesucht - und gefunden. „Ich weiß gar nicht mehr, wer mich damals fragte, ob ich Lust hätte, dabei zu sein“, sagt der heute 18-Jährige. Sehr genau erinnert er sich aber daran, nicht einen Augenblick gezögert zu haben. „Ich war schon länger in der Gemeinde aktiv - nach dem Konfirmanden-Unterricht habe ich eine Teamer-Ausbildung gemacht, hatte schon bei der Organisation von Treffen teilgenommen“, berichtet Jakob.
Spaß und ein gutes Gefühl
Im Frühjahr 2020 betrat er Neuland - und mit ihm ein Team aus aktuell mehr als 30 Ehrenamtlichen zwischen zwölf und 27 Jahren. Zusammen mit einem Team von Pastor:innen und Kirchenmusiker:innen machen sie seither Streaming-Gottesdienste, die regelmäßig auch von BibelTV europaweit ausgestrahlt werden. Der Spaß steht bei dem Projekt ganz klar im Fokus. „Es ist aber auch mega spannend, schließlich arbeiten wir hier unter höchst professionellen Bedingungen“, sagt Jakob. Schön sei aber auch das Feedback, ergänzt Jule. „Wir bekommen während der Sendung viel Feedback aus dem Internet und es ist ein wirklich gutes Gefühl, wenn wir mit #liveline den Menschen eine Freude bereiten, ihnen Mut machen und Hoffnung geben.“
Immer wieder neu, immer wieder anders
Alle 14 Tage geht das Projekt auf Sendung. Wichtig ist dem Team, immer wieder neu, immer wieder anders zu sein. „Wir sind auch für Überraschungen gut“, sagt die 17-Jährige. So war Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt schon einmal bei #liveline mit dabei. In dieser Woche wird es ein besonderes musikalisches Intro für den Gottesdienst geben, das so eher nicht bei einer klassischen Sonntagsandacht erklingen würde - das Titellied aus dem Kinofilm „Der Herr der Ringe“. „Hier wird es nie langweilig“, sagt Jakob. Und das liegt nicht zuletzt auch an den vielfältigen und spannenden Aufgaben, die es zu übernehmen gilt. Der Schüler übernimmt diesmal die mobile Kamera, Jule nimmt hinter der stationären Kamera ihre Position ein. „Wir haben aber auch schon im Schnitt gesessen, den Teleprompter bedient oder die Untertitel gesteuert.“
Ob Kamera oder Regie: Jeder Handgriff sitzt
Eine kurze Begrüßung. Eine schnelle Rollenverteilung. Fix werden noch ein paar rote Punkte auf dem Boden als Stellpunkte fixiert und los geht’s. Die Probe läuft. Ob in der Regie, hinter den Kameras oder beim Ton - jeder Handgriff sitzt. „Wir sind auch ein eingespieltes Team“, sagt Jule. Auch das sei etwas Besonderes: „Ich glaube, wir verstehen uns auch alle so gut, weil wir eine gemeinsame Verbindung über die Gemeinde haben.“ Pastorin Katja von Kiedrowski pflichtet dem bei. „Es ist eine große Energie und Ernsthaftigkeit zu spüren. Und wenn wir Verantwortung abgeben und Eigenverantwortung fördern, verändert sich auch Gemeinde- und Gottesdienstleben immer ein wenig weiter.“
Jugendliche setzen eigene Akzente
Und auch, wenn die Predigten von den hauptamtlichen Pastor:innen gehalten werden, so haben die Jugendlichen doch entscheidenden Einfluss auf das, was im Web oder Fernsehen ausgestrahlt wird. Pastor Heiko von Kiedrowski: "Ich finde es immer wieder eine gute Herausforderung, dass wir in unseren Gottesdiensten die einzelnen Elemente mit den Jugendlichen diskutieren und sie uns zeigen, was sie anspricht und was nicht, wovon sie gern mehr hätten und worauf sie gut verzichten wollen." Ab und zu gebe es auch Gelegenheiten, bei denen grundsätzlich über gottesdienstliche Elemente diskutiert werde. „Dann sind wir Pastor:innen gefordert, die Idee hinter einer Tradition zu erklären und für die Jugendlichen zu übersetzen“, erläutert von Kiedrowski und spricht von wichtigen Denkanstößen. „Ab und zu frage ich mich bei solchen Gesprächen auch: Warum ist das im Gottesdienst eigentlich so? Überzeugt mich das eigentlich selbst oder mache ich das nur so, weil es schon immer so war? Auch traditionelle Gottesdienste in unseren Kirchen sind eine Inszenierung. Ich habe den Eindruck, dass ich aus der Zusammenarbeit mit den Jugendlichen auch dafür schon viel gelernt und eine andere Sensibilität entwickelt habe.“
#liveline hilft bei der Studienwahl
Für Jule und Jakob ist #liveline längst mehr als ein Ehrenamt. Der 18-Jährige erwägt, überlegt, nach dem Abitur Film zu studieren. Dokumentationen reizen ihn sehr. Und was beide Teamer freut, ist wenn sie Mitschüler:innen und Freund:innen von ihrer Begeisterung für das Kirchenprojekt überzeugen können. „Wir zeigen alle zwei Wochen, wie modern und anders Kirche heute ist.“
Junge Menschen wollen mitgestalten
Für Heiko von Kiedrowski sind Projekte wie #liveline einer von vielen Schritten in die richtige Richtung, wenn es um die Zukunft von Kirche geht: "Ab und zu gibt es in der Kirche die Feststellung: Die Jugend ist die Zukunft der Kirche - ich glaube, das ist falsch. Die Jugend ist die Gegenwart der Kirche, junge Menschen wollen mitgestalten statt abzuwarten, bis sie sich an die Traditionen ihrer Eltern- und Großelterngeneration gewöhnt haben.“ Für den Pastoren steht fest: "Wenn Kirche nicht immer wieder Formen und Formate entwickelt, die auch Menschen vor dem 50. Geburtstag anspricht, suchen sich die Jugendlichen andere Themen und Orte, an denen sie besser im Blick sind. Dabei haben wir viel zu bieten: Wir können ganz verschiedene Gaben und Typen in unserer Arbeit brauchen, wenn wir viele Menschen ansprechen wollen.“
"Wir haben viel zu bieten"
Gut zweieinhalb Stunden wird an diesem Freitag geprobt, bevor auch für die #liveline-Akteure ein kurzes Wochenende beginnt. Am Sonntag um kurz vor 8 ist das Team wieder komplett, um zwei Stunden später ihre Web-Gemeinde von mehr als zehntausend Zuschauern mit der Ouvertüre aus „Herr der Ringe“ zu überraschen. Mit Jakob hinter der mobilen Kamera. Und Jule an der Stativkamera.