Lübeck. Nach sechs Jahren als Leiter der Lübecker Knabenkantorei an St. Marien in Lübeck verabschiedete sich Karl Hänsel zum Jahreswechsel. Der Stadt Lübeck bleibt er allerdings weiterhin treu. Der gebürtige Dresdener fühlt sich in Norddeutschland wohl: „Die Menschen hier sind angenehm und das Klima gefällt mir auch“, sagt er.
Auch von der Chorlandschaft in Lübeck und Umgebung ist der 29jährige Hänsel angetan, vom vielseitigen Angebot und Chören auf hohem Niveau. „Es gab da viele schöne Begegnungen mit anderen Chören und Chorleitern“, erzählt er. Gleich nach dem Musikstudium in Dresden war er in den Norden gezogen, um die Stelle als Leiter der Lübecker Knabenkantorei anzutreten.
Überraschungen in Lübeck
Als Absolvent des Kreuzchor-Internats kannte Hänsel das Leben im Knabenchor. An einige Dinge musste er sich trotzdem gewöhnen. „Die Proben-Frequenz ist in Lübeck längst nicht so hoch wie in Chören mit angeschlossener Schule“, sagt er. Eine überraschende Erkenntnis war für ihn, dass man auch mit weniger Proben erstaunlich viel schaffen kann. Das liegt seiner Meinung nach auch an der guten Stimmung im Chor: „Die Atmosphäre war sehr angenehm und „moderner“ als ich es aus dem eher traditionellen Chor-Internat kannte“, erzählt er. Viele Konzerte und Reisen bleiben ihm in guter Erinnerung. Besonders eine Reise nach Schottland im Jahr 2018. Auf einem Festival kamen junge Musikgruppen aus aller Welt zusammen. Mit ihrem geistlichen Chor-Programm war die Knabenkantorei dort eher ein ungewöhnlicher Gast. „Trotzdem hat es funktioniert, weil ohnehin alles sehr bunt war und wir tolle Begegnungen hatten“, erzählt Hänsel.
Die Probenräume der Knabenkantorei hat Hänsel - bei aller räumlichen Beschränkung - schnell als „kleine Oase“ kennengelernt, „Es ist zentral und die Jungs können hier gut ihre Freizeit verbringen“, sagt er.
Chorarbeit in Zeiten der Pandemie
Wie bei allen Kinder- und Jugendchören ist das Finden von Nachwuchs auch für die Knabenkantorei eine große Herausforderung. Schon vor der Pandemie bekam Hänsel zu spüren, dass sich Kinder nicht mehr so fest an Chöre binden können. Das Freizeitverhalten ändert sich stetig - eine Herausforderung, der sich Hänsel und viele Chorleiter-Kolleg*innen stellen müssen. „Eine gewisse Verbindlichkeit ist aber gerade bei Kindern wichtig, um eine Chorgemeinschaft zu festigen“, findet Hänsel, und bemerkt gleichzeitig: „Das Interesse am Singen ist weiterhin da!“
Und dann wurde die Kinderchor-Arbeit auch durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt. Ohne Präsenz-Proben fehlt es gerade den jüngsten Kindern an Motivation, die vor allem am Anfang wichtig ist. „Die Kinder wollen gefordert werden und brauchen Ziele“, sagt Hänsel. Anders als in Erwachsenenchören ging bei den Knaben wertvolle Zeit vor dem Stimmbruch verloren.
Zum Glück für die Knabenkantorei kam 2019 mit Christoph Westphal ein Chorleiter eigens für die Nachwuchsarbeit. Hänsel weiß dieses Privileg zu schätzen. „Bei vielen anderen Kinder- und Jugendchören haben sich die Teilnehmerzahlen durch Corona halbiert“. Währenddessen wuchs die Knabenkantorei in den Pandemie-Jahren sogar. Dafür sorgten Maßnahmen wie Proben per Videokonferenz oder virtuelle Auftritte bei Youtube.
Wie geht es weiter für Karl Hänsel?
Wie geht es nach dem Abschied weiter für Karl Hänsel? Als Chorleiter bleibt er weiter tätig, seit 2020 leitet er den Lübecker Universitätschor. Die Position lässt ihm Zeit für Anderes. Als Sänger war Hänsel in den letzten Jahren schon nebenbei aktiv, nun möchte er seine Tätigkeit als Tenor-Solist ausbauen. Außerdem hat er ein naturwissenschaftliches Studium in Hamburg begonnen.
Seit einiger Zeit ist Hänsel auch als Podcaster tätig. „Extraprobe“ heißt das Format, bei der er mit einem Chorleiter-Kollegen Einsicht in Ihren Arbeitsalltag geben. Hier gibt es alle Folgen des Podcasts.
Seine Chorsänger zeigten Verständnis für die Neuorientierung, waren aber traurig über den Weggang ihres Chorleiters. Der Auftritt im letzten Chor-Gottesdienst 2022 wurde für alle Beteiligten sehr emotional. Dass es irgendwann wieder eine feste Stelle als Chorleiter für ihn geben wird, schließt Hänsel nicht aus: „Ich bin für vieles offen.“