Karfreitag ist ein stiller Tag. Müsste er nicht eigentlich laut sein? Müssten wir nicht aufbegehren, laut aufschreien gegen Unrecht und Gewalt?
Der Missbrauch von Macht
Menschen wurden und werden Opfer von missbrauchter staatlicher Gewalt. Seit Jahrtausenden geht das schon so. Solche Mächtigen meinen, ungestraft machen zu dürfen, was sie wollen. Einfach, weil sie es können. Weil ihnen niemand, auch kein Gott, in den Arm fällt. Immer wieder missbrauchen Macht-Habende ihre Macht. Wir denken 2022 besonders an den Krieg Russlands gegen die Ukraine, auch, weil das Schicksal der Ukraine uns räumlich näher ist als z.B. in Myanmar. Doch die Unterdrückung beherrscht leider unendlich viele Orte unserer einen Welt.
Man brachte Jesus zum Schweigen
Auch Jesus fiel staatlichem Machtmissbrauch zum Opfer. In die dunkle Zeit des römischen Unterdrückungs-Imperiums brachte er Liebe und neue Hoffnung. Er sprach von Vergebung.
Hoffnung, Liebe, Vergebung – wohl kaum etwas widerspricht der Logik des Machtmissbrauchs mehr. Wer in einer gewalttätigen Welt von Liebe erzählt, weist ja, unausgesprochen, auf den allgegenwärtigen Hass hin. Wer von Hoffnung redet, führt die Unterdrückung vor. Für die damaligen Machthaber war Jesus nicht auszuhalten. Unerträglich. Sie brachten seine Stimme am Kreuz zum Schweigen.
Sie wussten genau, was sie taten.
Im Lukas-Evangelium sind als letzte Worte Jesu überliefert: „Vater, vergib ihnen – sie wissen nicht, was sie tun!“ Ich fürchte, sie wussten genau, was sie taten. Staatlicher Machtmissbrauch ist ja nicht das Werk einer einzelnen irregeleiteten Person, sondern es hat System, hat viele Unterstützer:innen und Mittäter:innen.
Sie wussten sehr wohl, was sie taten. Aber sie wussten nicht, dass es sinnlos war. Es lag außerhalb ihrer Vorstellungskraft, dass die Liebe stärker ist als Gewalt. Nicht der Hass, sondern die Vergebung setzte sich durch. Nicht der Tod, sondern die Hoffnung behielt das letzte Wort. Gott erweckte den Gekreuzigten am dritten Tag von den Toten.
Aus der übersichtlichen Jüngerschar wurde eine weltweite Bewegung. Der Glaube an Jesus hat immer dann Kraft, wenn er Liebe, Hoffnung und Vergebung predigt und überzeugend vorlebt.
Karfreitag ist eine Einladung
Karfreitag ist aus gutem Grund ein stiller Tag. Denn ich soll bei mir anfangen. Ich soll mich fragen, wie mein Glaube mein Handeln bestimmt. Verbreite ich Hoffnung? Bin ich bereit zu vergeben? Bestimmt wirklich die Liebe mein Denken und Handeln? Auch wenn es vielleicht befremdlich klingt: Karfreitag ist Gottes Einladung zum Neuanfang. Ich darf zu meiner Schuld stehen und Gott um Vergebung bitten.
Ich wünsche Ihnen einen besinnlichen Karfreitag!
Herzlichst, Ihre Pröpstin Petra Kallies