Wer in Lübeck über Interkulturelle Frauenarbeit spricht, muss im selben Atemzug auch den Namen Yasmin Düzen nennen. Die gebürtige Türkin hat beim Evangelischen Frauenwerk des Kirchenkreises nicht nur Pionierarbeit geleistet, sie hat 37 Jahre lang Maßstäbe gesetzt. Jetzt geht die engagierte Lübeckerin in Rente.
Pionierin der Interkulturellen Frauenarbeit
"Streng genommen bin ich schon seit dem 1. Februar in Rente, doch davon hab ich selbst noch nichts gespürt“, sagt Yasmin Düzen und lacht. „Ich bin nahtlos ins Ehrenamt gewechselt.“ Ihre Arbeit, die sie selbst mehr als Berufung empfindet, bedeutet ihr viel. So hart und so entbehrungsreich ihre Aufgabe in der Interkulturellen Frauenarbeit mitunter auch ist, wer der 66-Jährigen zuhört, spürt, wie sehr sie ihre Rolle als Unterstützerin, als Fördererin, als helfende Hand und tröstende Schulter liebt.
Ihre Motivation: "Ich liebe Menschen"
Yasmin Düzen formuliert ihre Motivation in einem Satz: „Ich liebe Menschen.“ So einfach ist das. 1986 legte sie den Grundstein für die wichtige Arbeit in der Hansestadt. „Damals hatte es eine Zeitungsannonce gegeben, dass eine internationale Frauengruppe gegründet werden sollte.“ Das reizte die Lehrerin. In Istanbul hatte sie bis 1977 studiert, Kunstgeschichte und Malerei. Der Liebe wegen kam sie nach Deutschland - in den Norden nach Lübeck. „Ich habe das große Glück gehabt, in einer demokratisch geprägten Familie aufzuwachsen. Mein Mann und ich lieben uns sehr - auch, wenn wir uns natürlich auch mal richtig streiten können.“ Yasmin Düzen und ihr Mann Hayri sind Eltern von zwei heute erwachsenen Töchtern, mittlerweile sogar dreifache Großeltern. „Meine Enkel, Töchter und mein Mann sind mein ganzes Glück“, sagt die Pädagogin - wohl wissend, dass viele Frauen dieses Gefühl nicht teilen können.
"Jeder Mensch hat bei uns Hilfe und Heimat gefunden"
Für diese Frauen wollte Yasmin Düzen da sein - und sie will es noch immer. Mehr als 25 Jahre war sie Leiterin der Interkulturellen Frauenarbeit beim Evangelischen Frauenwerk des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, gründete Gruppen, organisierte unzählige Veranstaltungen und Fortbildungen. „Das Schöne an der interkulturellen Arbeit ist, dass sie unsere Welt kleiner macht und Menschen zusammenführt.“ Jetzt ist sie zwar im Rahmen eines fröhlichen und bunten Festes mit Freunden und Wegbegleitern in den Ruhestand verabschiedet worden. Weitermachen will sie trotzdem. Auf ehrenamtlicher Basis. „Es gibt viel zu tun, wie uns nicht zuletzt die vergangenen Wochen gezeigt haben“, argumentiert Yasmin Düzen. Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges sind viele Frauen mit ihren Kindern geflohen, kamen nach Lübeck und ins Herzogtum Lauenburg, suchen Unterstützung und Hilfe. Das Frauenwerk ist eine der zentralen Anlaufstellen und das seit Jahrzehnten bewährte Konzept geht auf. „Bei uns hat bislang jeder Mensch Hilfe und Heimat gefunden“, sagt die 66-Jährige.
Freiheit, Gleichberechtigung, Würde
Drei Dinge treiben sie an: Mit allem, was sie hat, setzt sie sich für Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenwürde ein. "Die Entwicklung der Interkulturellen Frauenarbeit ist positives gesellschaftspolitisches Handeln, Fragen der Gerechtigkeit und Chancengleichheit für Frauen, insbesondere für Migrantinnen, zusammen zu bringen war und ist eine Herausforderung, spannend und dringend nötig. Momentan mehr denn je“, betont Yasmin Düzen, die sich für ihre verantwortungsvolle Aufgabe in der Frauenarbeit immer wieder auch pädagogisch-therapeutisch fortbildete. Aus gutem Grund, zählt die Beratung und Problembegleitung ausländischer Frauen doch seit Anfang an zu den Kernaufgaben. Ehe- und Familien-, Erziehungs- oder Schul, Drogen oder Gesundheitsprobleme - die Sorgen und Nöte sind mannigfaltig. „Eine der wichtigsten Dinge, die ich den Frauen seit jeher sage, wenn sie zu uns kommen, ist: Verstellt Euch nicht, seid, wie Ihr seid, zeigt, wie es Euch geht.“
Viele schöne Erinnerungen und ein dunkler Moment
Blickt Yasmin Düzen auf ihr bisheriges Schaffen zurück, sind da viele kleine und große Ereignisse und Errungenschaften, über die sie sich freut. Die Corona-Pandemie sei natürlich eine Herausforderung gewesen, sagt sie. „Einer der dunkelsten Momente aber war der Brand in dem Asylantenheim in der Hafenstraße in Lübeck, in dem auch zwei Afrikanerinnen lebten, die zu unserer Nähgruppe gekommen waren. Diese beiden Frauen wurden Opfer eines feigen rechtsradikalen Anschlags. Und den Schmerz tragen wir bis heute in uns.“
"Wir sind ein tolles Team beim Frauenwerk"
Der Umgang mit den nicht selten harten Schicksalen hilfesuchender Frauen hat Yasmin Düzen nie an ihrer Arbeit oder ihrer persönlichen Belastbarkeit zweifeln lassen. „Wir sind hier im Frauenwerk ein großartiges Team, in dem wir uns auch gegenseitig stützen und unterstützen“, lobt sie. Mehr noch: Durch das Wirken im Frauenwerk habe die Lübeckerin sogar persönlich profitiert: „Ich lebe sehr viel bewusster, bin achtsamer und gelassener geworden.“ Ein weiteres Argument, weshalb an ein Aufhören nicht zu denken sei.