Lübeck. Emotional. Kontrovers. Engagiert. So lässt sich der erste Informationsabend zum neuen Gebäudekonzept in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde in St. Jürgen in Lübeck zusammenfassen. Mehr als 120 Gemeindemitglieder waren am Mittwoch (26. Oktober 2022) der Einladung des Kirchengemeinderats in die Kirche St. Augustinus gefolgt, um über die geplanten Maßnahmen zu diskutieren.
Mehr als 120 Besucher in St. Augustinus
„Keiner ist hier mit großer Freude, umso schöner, dass so viele da sind“ - Pastorin Almut Schimkat eröffnete den Informationsabend zum geplanten neuen Gebäudekonzept. Das Thema bewegt die Menschen in St. Jürgen sehr: Anfang Oktober waren die 12 000 Gemeindemitglieder per Post informiert worden, dass zwei der fünf Standorte aufgegeben und im Idealfall verkauft werden sollen - St. Augustinus und die Kreuz-Kirche.
"Es ist keinem von uns leicht gefallen"
Geplante Maßnahmen, die viele Menschen in dem Bezirk emotional aufwühlt, viele traurig, einige auch wütend macht. Die Kirchengemeinderats-Mitglieder Geert-Christoph Gabriel, der selbst aus St. Augustinus stammt, und Beke Jacobs hatten die schwere Aufgabe übernommen, die geplanten Schritte den Zuhörenden zu erläutern. Aus ihrer persönlichen Betroffenheit machten beide keinen Hehl: „Es ist keinem von uns allen leicht gefallen. Die Schließung von Kirchen war lange Zeit etwas Unaussprechliches. Und doch müssen wir Maßnahmen ergreifen, um für die Zukunft ein tragfähiges Konzept zu entwickeln.“ Ziel ist es, das pulsierende Leben in der Gemeinde aufrecht zu erhalten, zugleich aber auch den veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden.
Pröpstin: Ausgaben müssen gesenkt werden
Auch Lübecks Pröpstin Petra Kallies stand den Gemeindemitgliedern in der Kirche St. Augustinus Rede und Antwort. "Alle Kirchengemeinden im Kirchenkreis sind seit 2013 aufgefordert, ein Gebäudekonzept zu entwickeln, das den künftigen Anforderungen und den seit den 1960er-Jahren rückläufigen Mitgliederzahlen entspricht“, sagte sie. Notwendig sei eine Senkung der Ausgaben für Erhalt und Bewirtschaftung der Immobilien um mindestens 25 Prozent.
Rückgang der Einnahmen aus Kirchensteuer
„Das Gebäudekonzept, dass der Kirchenkreis vom Kirchengemeinderat eingefordert hatte, sollte von einem Rückgang der Kirchensteuermittel um 30 Prozent ausgehen. Doch diese 30 Prozent stehen schon jetzt weniger zur Verfügung. Wieviel in zehn Jahren noch bewirtschaftet werden kann, ist schwer zu sagen“, betont Heiko von Kiedrowski, Pastor und Vorsitzender des Kirchengemeinderats. Berechnungen der Nordkirche zufolge ist bis 2060 mit einer Halbierung der Mitgliederzahlen zu rechnen - auch in St. Jürgen.
Gemeinderat untersuchte viele Faktoren
Ein weiterer Aspekt, der zu berücksichtigen ist: Die Zahl der Pfarrstellen verringert sich von derzeit 5,25 auf drei. Vor seiner Entscheidung hatte der Kirchengemeinderat eine Vielzahl von Faktoren der bislang fünf Standorte untersucht - unter anderem die Nutzungszahlen, den Investitionsbedarf, den Zustand der Bausubstanz und zuletzt auch die Eigentumsverhältnisse. Anders als die Kreuz-Kirche, die auf Grund der Kirchengemeinde steht, befindet sich St. Augustinus auf Erbpacht-Gelände der Hansestadt Lübeck.
"Wir sind so ein lebendiger Bezirk"
Für nicht wenige Besuchende des Informationsabends ist die geplante Aufgabe von St. Augustinus inakzeptabel. „Wir sind so ein lebendiger Bezirk“, beklagten einige. Vor allem Kinder und Senioren würden sich „nicht einfach verpflanzen lassen", betonten andere. „Es ändert nichts daran, dass wir zu viel Raum für zu wenig Menschen haben“, stellte der KGR klar. Und: „Wir mussten bei unseren Planungen die ganze Gemeinde in den Blick nehmen - nicht nur einzelne Bezirke.“
Veränderungen auch andernorts notwendig
Pröpstin Kallies hatte sich von Anfang an vor die Entscheidung des Kirchengemeinderats gestellt. "Sie haben Mut und Weitsicht bewiesen und nehmen letztlich eine Art Vorreiterrolle für Gemeinden ein, in denen vergleichbare Maßnahmen durch strukturelle Veränderungen notwendig sein werden.“
"Es gibt noch keinen Zeitplan"
Kritik äußerten einige Gemeindeglieder an der Informationspolitik. Sie bemängelten, erst jetzt von den Planungen erfahren zu haben, hätten die Verantwortlichen doch bereits Mitte 2020 die Eckpunkte für die Neustrukturierung festgelegt. Zudem wollten einige wissen, mit welchen Summen der Kirchengemeinderat für die beiden Standorte kalkuliere. Pröpstin Kallies betonte, dass es keine konkreten Summen gebe, zumal dies von einer Vielzahl von Faktoren abhängig sei. „Es gibt auch noch keinen Zeitplan. Gern hätten wir Ihnen heute bereits Perspektiven für den Standort über eine mögliche Nachnutzung aufgezeigt, aber das Verfahren dauert leider ein wenig.“ Hinzu kommt, dass der Kirchengemeinderat das Konzept zunächst einmal auf seine Machbarkeit hin prüfen musste, ergänzt Heiko von Kiedrowski.
Weitere Info-Veranstaltung in der Kreuz-Kirche
Am 17. November findet eine weitere Informationsveranstaltung in der Kreuz-Kirche statt. Derweil hat der Kirchengemeinderat in St. Jürgen angekündigt, Formate zu entwickeln, interessierte Gemeindemitglieder beim weiteren Prozess zu beteiligen.