Lübeck/Ratzeburg. Am 25. Januar 2024 sind die Forschungsergebnisse des unabhängigen Forschungsverbundes „ForuM – Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ veröffentlicht worden. Stimmen der pröpstlichen Personen aus dem Kirchenkreis sowie die wichtigsten Fragen und Antworten.
Das sagen Pröpstin und Propst
Petra Kallies, Pröpstin in Lübeck: Wir wissen, dass es auch innerhalb der evangelischen Kirche sexualisierte Gewalt gegeben hat und gibt. Wir haben Betroffene nicht vor Täter:innen geschützt. Sie haben Kirche nicht als einen sicheren Ort erlebt. Die Studie ist zum einen wichtig für die Betroffenen; Kirche nimmt das Erlebte respektvoll wahr und anerkennt das Leiden. Darüber hinaus hilft uns die systematische Erforschung durch externe Fachleute, Gefährdungspotentiale zu erkennen und diese künftig abzustellen. Wir werden die Ergebnisse der Studie sehr sorgfältig lesen und für unseren Zuständigkeitsbereich analysieren und dafür Sorge tragen, dass die Erkenntnisse zur Reflexion der Präventionsarbeit der Gemeinden und Einrichtungen in unserem Kirchenkreis genutzt werden.
Philip Graffam, Propst im Herzogtum Lauenburg: Die Studie, die die Fälle untersucht, die bekannt geworden sind, also das Hellfeld, ermöglicht eine offene und respektvolle Wahrnehmung des Leidens dieser betroffenen Menschen. Es ist wichtig, dass ihre Erfahrungen nicht nur erkannt, sondern auch ernst genommen werden. Uns als Kirche ist es wichtig, aus diesen Erfahrungen zu lernen und diese in die Präventionsarbeit einfließen zu lassen. Hinter jeder betroffenen Person steht eine ganze Biographie - eine Erinnerung daran, dass wir als Gemeinschaft nicht nur Verantwortung tragen, sondern auch verpflichtet sind, einen Raum der Heilung und Unterstützung zu schaffen. Und dies wird unsere Arbeit als Institution immer begleiten und immer neu fragen lassen, wie wir unsere Schutzkonzepte und Maßnahmen noch wirksamer gestalten können.
Drei Fragen, drei Antworten
Janina Timmermann unterstützt Träger kirchlicher Arbeit im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg in der Präventionsarbeit.
Sie beantwortet drei zentrale Fragen zur ForuM-Studie.
Warum ist die ForuM-Studie wichtig?
Spätestens seit dem Bekanntwerden der Fälle in Ahrensburg beschäftigen wir uns in der Nordkirche intensiv mit der Prävention sexualisierter Gewalt in unseren kirchlichen Gemeinden und Einrichtungen. Die Prävention sexualisierter Gewalt hat zweierlei zum Ziel:
- Maßnahmen zu installieren und die Kultur des Miteinanders so zu gestalten, dass die Möglichkeiten, Taten zu verüben, also bewusst die Strukturen auszunutzen für die eigenen (sexuellen) Bedürfnisse, geringer werden.
- Die Möglichkeiten für Betroffene zu erweitern, Ansprechpersonen und –stellen zu finden, die den Schutz sicherstellen, die Unterstützung anbieten, die betroffenenorientiert arbeiten und vor allem dafür sorgen, dass die Gewalt gestoppt wird und die Betroffenen geschützt werden.
Die ForuM-Studie ist ein wichtiger Teil der institutionellen Aufarbeitung. Jede Institution muss bei sich anfangen und nach den für sie spezifischen Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt suchen. Hierbei geht es darum, Zusammenhänge besser zu verstehen und spezifische systemische Merkmale und Bedingungsmöglichkeiten dieser Kirche zu erkennen. Die Ergebnisse werden uns Hinweise darauf geben, was wir in der Prävention, Intervention und Aufarbeitung besser machen können. Dies gilt sowohl für den Umgang mit den Strukturen als auch für den Umgang mit den betroffenen Menschen, denen in diesen Strukturen Leid zugefügt wurde.
Warum ist die Studie ein Gewinn?
Wir müssen kritisch hinschauen, auf unsere Kultur, auf unser Miteinander, auf die Bedingungen, die uns hinschauen lassen und darauf, was hinderlich ist, sexualisierte Gewalt in unseren Reihen zu erkennen. Und der Blick von außen ist für den Erkenntnisgewinn unerlässlich. Insofern sehe ich die ForuM-Studie als Gewinn, weil es speziell darum geht, in die Strukturen der evangelischen Kirche zu schauen. Was machen wir? Was haben wir gemacht? An welchen Stellen ist in der Prävention, Intervention und Aufarbeitung nachzubessern?
Wie gehen wir mit den Ergebnissen um?
Aufgrund der zu erwartenden Komplexität der Ergebnisse wird es im Anschluss notwendig sein, sie in einem längeren Prozess auszuwerten. Dabei werden viele unterschiedliche Akteur*innen eingebunden: Eine zentrale Rolle bei der Auswertung und Rezeption der Ergebnisse spielt das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD. Unabdingbar ist die Einbindung der gesamten evangelischen Kirche und ihrer Mitglieder, der Synoden aller Landeskirchen und ihrer Bildungseinrichtungen sowie anderer Akteure. Ziel ist es, auf der EKD-Synode im November 2024 erste Maßnahmen und Konsequenzen zu benennen.
Weitere Information zur ForuM-Studie und den Bericht als Download finden Sie hier.
Die Fachstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt des Kirchenkreises erreichen Sie hier.