Kirche gegen Rechtsextremismus
Wir wollen es nicht hinnehmen, dass mitten in unseren Dörfern und Städten nationalsozialistisches Gedankengut unwidersprochen weitergegeben wird. Die jährlichen Aufmärsche der Nazis in Lübeck, die Demonstrationen des Bündnisses ‚Wir können sie stoppen’ für Demokratie und Toleranz, die unzähligen Gespräche, Diskussionen, das Annähern anfänglich recht unterschiedlicher Positionen und Vorstellungen von Aktionsformen im Bündnis, die Themensynode zum Rechtsextremismus, die innerkirchlichen Diskussionen – all das hat bei vielen Beteiligten in Lübeck einen Prozess weiteren gemeinsamen Nachdenkens in Gang gesetzt. Auch in Ratzeburg hat sich angesichts rechtsextremer Aktivitäten ein ‘Bündnis für Menschenwürde und Respekt’ in Ratzeburg’ gebildet.
Welche Aufgabe und Rolle haben wir als Kirche angesichts fremdenfeindlicher, rassistischer und neonazistischer Ideologien und Aktionen? Welche Aufgabe und Rolle haben wir in unseren Kirchengemeinden, in unserem Dorf, in unserer Stadt, in unserer Gesellschaft? Dieses Nachdenken wollen wir in unserer Kirche über den direkten Kontext einzelner rechtsextremer Aktionen hinaus entwickeln.
Dem Ev. Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg ist bewusst, dass die Kirche eine besondere Aufgabe in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus hat. Diese Aufgabe gründet gerade in Lübeck auch in der Verantwortung vor der Geschichte unserer Kirche im Dritten Reich. Kirche ist verpflichtet, sich aktiv in die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Ideologien einzubringen.
Dieser Verantwortung stellt sich der Ev. Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und bringt sie als gemeinsame kirchliche Aufgabe durch die Einrichtung einer Beauftragung ‘Kirche gegen Rechtsextremismus’ zum Ausdruck. Der Beauftragte soll das Aufkommen und die Verbreitung rechtsextremen Gedankengutes und Handelns als Problem im Blick behalten und in diesem Kontext die innerkirchliche, zivilgesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit diesem Problem, die Entwicklung kirchlichen Handelns und die zivilgesellschaftliche Vernetzung kirchlicher Aktivitäten fördern. Er vertritt den Ev. Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg im Bündnis. Im Rahmen der Beauftragung hält er den Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Der Beauftragte wird von einem ökumenischen Arbeitskreis unterstützt.
Ja zum christlichen Glauben – (deshalb) Nein zu Demokratiefeindlichkeit!
Als Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und Diakonie im Kirchenkreis bejahen und verteidigen wir die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde. Sie ist ein wesentlicher Ausdruck unserer Werte und unverzichtbar für ein gelingendes Miteinander in unserer Gesellschaft.
Rechtsextreme Ideologie und antidemokratisches Agieren stehen im absoluten Gegensatz zur Menschenwürde und zu unserem christlichen Menschenbild.
Das bedeutet für uns als Kirche und Diakonie: Wir treten dem Handeln und Reden extrem rechter Gruppierungen und Parteien entschieden entgegen – weil sie unserem Glauben widersprechen, menschen- und demokratiefeindlich sind. Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung und die Idee völkischer Überlegenheit tolerieren wir in unseren Reihen nicht.
Als Kirche und Diakonie stehen wir für eine vielfältige Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig unterstützt und schützt. Wir wollen offen sein für die Bedürfnisse der Menschen. Wir wollen Raum für ehrliche Verständigung und den offenen Diskurs über unterschiedliche Interessen bieten.
Auch wenn es den kontroversen Diskurs und Streit braucht: Wir lassen keine Grenzüberschreitungen zu, besonders wenn die Würde von Menschen bedroht ist, die Demokratie in Frage gestellt wird!
Als Träger der Wohlfahrtspflege richten sich die Angebote der Diakonie an alle Menschen. Wir achten darauf, dass in unseren Einrichtungen die Würde und die Rechte aller Beteiligtenrespektiert werden – dies gilt sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Klientinnen und Klienten.
Demokratieförderung geschieht auch über Angebote, die Menschen in Krisen stützen und unterstützen. Das kann den Menschen das Vertrauen in den Rechts- und Sozialstaat
zurückgeben oder sie darin stärken. Kinder und Jugendliche können im respektvollen Umgang miteinander, mit Unterschieden für ein freiheitlich demokratisches Gemeinwesen gefördert werden.
Woran wir glauben
Das ist uns wichtig geworden in der Auseinandersetzung mit rechtsextremem Gedankengut:
Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Gott jeden Menschen einzigartig und als sein Ebenbild erschaffen hat. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn“ (1. Mose 1,27). Daher kommt jedem Menschen eine eigene Würde zu – unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung oder körperlichen, seelischen oder geistigen Einschränkungen. Diese Überzeugung finden wir auch im Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art.1 Abs. 1 GG)
Eine völkische Theologie ist nicht möglich. „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28) Die Zugehörigkeit zu Jesus Christus beinhaltet eine universale Dimension. Wir wehren uns gegen eine Vereinnahmung und Missdeutung christlicher Wert und Traditionen durch die extreme Rechte.
Das Doppelgebot der Liebe (Mt 22,37–39) zeigt uns die enge Verbindung von Liebe zu Gott und zum Nächsten, zur Nächsten. Hass und Hetze, Verunglimpfung und Menschenverachtung sind kein Ausdruck von Nächstenliebe; wir tolerieren sie nicht. Vielmehr setzen wir uns ein für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.
Als Kirche und ihre Diakonie wissen wir uns dem Gemeinwesen verpflichtet: („Suchet der Stadt Bestes!“ (Jer 29,7)) Wir engagieren uns auf der Grundlage unseres Glaubens in vielfältiger Weise: im vorpolitischen Raum, in der Politikberatung und im öffentlichen Diskurs. Gemeinsam stehen wir ein für unsere christlichen Überzeugungen und eine wehrhafte Demokratie.
Wir danken allen Bürgerinnen und Bürgern, die öffentlich für die Demokratie eintreten