Pastor Hans-Uwe Rehse Interreligiöses Miteinander ist möglich


Die Suche nach dem, was Frieden möglich macht, ist für uns Christen ein Grundanliegen.

Sechs Thesen zum Interreligiösen Miteinander 

1. „Religion“ wird zunehmend in unserer Gesellschaft kritisch betrachtet. Sie wird in einem engen Zusammenhang gesehen mit Glaubensauseinandersetzungen und –kriegen.
Insbesondere die monotheistischen Religionen wirken intolerant und aggressiv. Das Verständnis, dass es neben dem eigenen Gott keinen anderen Gott geben dürfe, macht ein friedliches Miteinander schwierig. Die geschichtlichen Erfahrungen scheinen diese kritische Sicht zu bestätigen. Erst mit der Einführung eines weltanschaulich neutralen Staates konnten Konfessionskriege in unserem Land überwunden werden.

2. Trotzdem ist es ein Irrtum, zu glauben, dass Religionslosigkeit eine geeignete Grundlage für ein friedliches Miteinander wäre. Viele sogenannte „Religions- oder Konfessionskriege“ haben ihre Ursache häufig in sozial und politisch ungerechten Bedingungen. Religiöse Differenzen werden insofern oft als Begründung für das Austragen gesellschaftlicher Konflikte benutzt.

3. Hauptanliegen jeder Religion ist es demgegenüber, Menschen eine Orientierung und einen Halt zu geben. Die Erfahrung der Unverfügbarkeit über das eigene Leben, mit all den unplanbaren und schicksalhaften Ereignissen, mit denen Menschen sich auseinanderzusetzen haben, lässt sie nach einem Sinn und einem größeren Zusammenhang für ihr Leben fragen. Religion und Glaube sind deshalb eine unverzichtbare seelische Ressource für viele.

4. Erfahrungsgemäß gibt es sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und nach dem, was die Erde in ihrem Innersten zusammenhält. In einer Zeit, in der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Traditionen enger zusammenrücken und immer mehr miteinander zu tun bekommen, gewinnt die Frage nach den gemeinsamen Anliegen und verbindenden Elementen zunehmend an Bedeutung. Auch wenn die Unterschiede im Denken bleiben werden, ist es notwendig eine gemeinsame Basis zu suchen und zu finden, um das Miteinander in gegenseitigem Respekt möglich zu machen. Von daher ist es die Hauptaufgabe der Religionen in unserer Zeit, für ein friedliches und gerechtes Miteinander einzutreten. Dabei wird von den Vertretern der Religionen sehr darauf zu achten sein, dass die Religionen sich nicht wieder von wirtschaftlichen und politischen Interessen missbrauchen lassen.

5. Allerdings wird dafür auch ein Überdenken eigener Positionen notwendig sein. Kontakte und Gespräche über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg sind nur da möglich, wo man bereit ist, die eigenen Glaubensüberzeugungen in ihrer Relativität wahrzunehmen – als eine persönliche Anschauung und Wahrnehmung. Sie verlieren dadurch nichts von ihrer Bedeutung und Kraft für den Einzelnen und seine Glaubensgemeinschaft. Doch die Bereitschaft, auch andere Perspektiven und Zugänge zu Gott zu akzeptieren, mag dabei helfen, Menschen zu respektieren und ihnen zuzuhören, die andere Glaubensüberzeugungen haben. Die Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“ beschreibt die Haltung, die dabei hilfreich ist.

6. Die Suche nach dem, was Frieden möglich macht, ist für uns Christen ein Grundanliegen.

Das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe ist für Jesus das wichtigste Gebot gewesen. Für ihn hatte die Liebe keinen exklusiven Charakter, sondern war eine Gabe und Verheißung Gottes an alle Menschen. Insofern steht es uns gut an, wenn wir uns darauf einlassen und darauf vertrauen, indem wir auf die Menschen zugehen, die unsere Nachbarn und Mitbürger sind, auch wenn ihr Glaube anders ist, als das, was wir bekennen.