Corona-Demos

Petra Kallies (re.) und Frauke Eiben sind die Pröpstinnen im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. Copyright: Felix König /Agentur 54°

Im Verlauf der Corona-Pandemie fühlen sich Menschen in Lübeck und im Herzogtum Lauenburg durch die staatlichen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus in ihrer Freiheit eingeschränkt.

Wie im gesamten Bundesgebiet nutzen sie das im Grundgesetz verankerte Recht auf Demonstrationen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Sie sprechen sich gegen die Einschränkung von Grundrechten oder gegen die Impfpflicht aus. Der Verfassungsschutz stellte vor kurzem fest, dass neben den bürgerlichen Teilnehmer:innen Menschen aus dem rechtsextremen Milieu sowie Anhänger von Verschwörungstheorien aktiver Teil der Demos in Lübeck werden. Das Bündnis „Wir können sie stoppen“ hat mit der Lübecker Erklärung sowie zwei Gegendemonstrationen ein Zeichen gegen diese Entwicklung gesetzt.

Für Demokratie und Wissenschaft

"Wir haben die Lübecker Erklärung unterzeichnet, weil wir klar Position gegen Rechts beziehen. Es darf keinen Raum für Nazis geben - weder in Lübeck noch im Herzogtum Lauenburg. Gleichzeitig sprechen wir uns für die Demokratie und die Wissenschaft aus und rufen der Mehrheit zu, weiter solidarisch gegen Corona zusammenzuhalten - mit dem Gebot der Nächstenliebe vor Augen", sagen Pröpstin Petra Kallies und Pröpstin Frauke Eiben.

Zum Holocaust Gedenktag am 27.01.2022 positionierte sich Pröpstin Petra Kallies vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte auch heute klar gegen eine Verharmlosung von neuen Nazis.

Warum stellen sich auch Kirchenvertreter:innen so entschieden dagegen?

Der Nationalsozialismus war und ist eine völkische, nationalistische, rassistische und menschverachtende Ideologie. Sie stellt demokratische Grundwerte und Menschenrechte in Frage und ist verantwortlich für den Völkermord an fast 6 Millionen europäischen Juden während des Zweiten Weltkrieges. Damit sich diese Geschichte nicht wiederholt, mahnen bundesweit auch Vertreter:innen der großen christlichen Kirchen immer wieder. In Lübeck und im Herzogtum Lauenburg haben sich die Vertreterinnen aus Kommune, Stadt, Vereinen, Parteien, Organisationen zu Bündnissen zusammengeschlossen.

Was haben die Corona-Demos, die sog. Spaziergänge, damit zu tun?

Rechtsextreme Gruppen und Akteure nutzen oftmals aktuelle gesellschaftliche Themen, um ihre eigenen Ideologien ins Spiel zu bringen und neue Anhänger zu gewinnen. Kindesmissbrauch, Corona-Maßnahmen oder Massentierhaltung: Wer wissentlich zusammen mit Vertretern rechtspopulistischer Gruppen demonstriert, macht sich allein dadurch mit ihnen gemein. So werden Gruppierungen des rechten Randes in der Mitte der Gesellschaft geduldet. Das trägt zur Normalisierung und Verharmlosung nicht nur der Personen sondern auch der Weltanschauung bei. Wer sich den sogenannten Corona-Spaziergängen anschließt, läuft mit. Es gibt in einer Demokratie viele Möglichkeiten, seine Meinung öffentlich mitzuteilen – auch ohne Beteiligung rechtsextremer Personen und Positionen.

Corona, Wissenschaft & Kirche

Die Impfskepsis und das Unverständnis für die staatlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus ziehen sich quer durch die Gesellschaft. Diese Sorgen nimmt die Kirche ernst. Anders als häufig behauptet, sind die Kirchen offen. Wer ein Seelsorge-Anliegen hat, findet ein offenes Ohr.

Wenn es Zugangsbeschränkungen für Gottesdienste gibt, liegt das häufig an Raumgrößen und dem Schutz der haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden. Neben Präsenzgottesdiensten gibt es viele Angebote online, im Fernsehen, im Radio und am Telefon, um möglichst viele Menschen zum Gottesdienst oder Gespräch einzuladen.

Während individuelle Sorgen und Ängste von Menschen Gehör finden sollen, orientiert sich die Kirche auf gesellschaftlicher Ebene im Umgang mit der Corona-Pandemie ganz klar am überwiegenden wissenschaftlichen Konsens. Dazu gehört auch das Werben für eine Impfbereitschaft.
 

Warum wirbt die evangelische Kirche für Impfbereitschaft?

In einer Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie ist die Impfung nicht mehr nur eine private Entscheidung. Darin sind sich die Vertreter:innen der evangelischen Kirche in Deutschland einig.

EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hatte im November 2021 an ungeimpfte Menschen appelliert, sich gegen Corona impfen zu lassen. Dies sei „keine individuelle Vorliebe oder des Für-sich-selbst-Entscheidens, sondern hier hat man eine Verpflichtung in einer Solidargemeinschaft von Menschen.“

„Wir Kirchen stehen da in einem Dilemma: Natürlich sind vor Gott alle Menschen gleich viel wert. Im Gottesdienst ist jeder willkommen. Aber trotzdem sollen wir in der Welt Verantwortung übernehmen. Darum rufen wir zum Impfen auf.“, sagte Kirsten Fehrs Bischöfin der Nordkirche n einem Radiobeitrag.

„Die Corona-Pandemie bedroht das Leben der einen und die soziale Existenz der anderen. Sie stellt unseren Zusammenhalt auf die Probe und fordert die Bereitschaft zur Nächstenliebe heraus“, so Bischöfin Kirsten Fehrs zum Start der Impfkampagne in Hamburg am 27. Dezember 2021.

„Nach allem was wir wissen, mindert eine Impfung die Gefahr. Wer sich impfen lässt, schützt sich selbst und wahrscheinlich auch all jene, für die das Virus gefährlich werden kann. Zugleich wächst die Hoffnung für die vielen, die von den Kontaktbeschränkungen betroffen sind. Natürlich ist es eine sehr persönliche Entscheidung, ob man einen solchen Eingriff in den eigenen Körper zulassen möchte. Doch in der Abwägung überwiegt aus meiner Sicht der Schutz durch die Impfung klar das Risiko - und ohne ein Mindestmaß an Vertrauen werden wir die Pandemie nur schwer gemeinsam bewältigen können.“