Wenn Männer sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, fällt es ihnen oft schwer, darüber zu reden und sich Hilfe zu suchen. Der Lübecker Wolfgang Kolbinger kennt Lebenskrisen und hat erlebt, wie schwierig es ist vertrauenswürdige Ansprechpartner zu finden. Seit dem Jahr 2003 bietet er Männern, die durch Arbeitslosigkeit, Mobbing oder einer Krankheit in eine Lebenskrise geraten sind, „Lösungswege“ an. Die gleichnamige Gruppe trifft sich 14tägig und ist im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) beheimatet.
Für dieses Engagement erhält der 71-Jährige am Donnerstag, 13. September 2018, das Ansgarkreuz der Nordkirche. Die Verleihung um 18 Uhr in der Marientidenkapelle in der St.-Marien-Kirche zu Lübeck übernimmt Frauke Eiben, Pröpstin im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. Zusätzlich zu „Lösungswege“ engagiert sich Kolbinger im Forum Ehrenamt des Kirchenkreises als Vorstandsmitglied.
Geboren und aufgewachsen ist der Vater von sechs Kindern und fünf Enkelkindern (das sechste ist unterwegs) in Hamburg. Schon als Junge interessierte er sich für Landwirtschaft und absolvierte eine Landwirtschaftslehre mit anschließendem Studium zum Diplom-Ingenieur für Landbau. Später kam das Zusatzstudium in der Fachrichtung ökologische Umweltsicherung dazu. „Mit diesem Schwerpunkt war ich 28 Jahre in verschiedenen Naturschutzbehörden, unter anderem in Saarbrücken, Ratzeburg und Lübeck, tätig“, so Kolbinger.
Und das in einer Zeit, als der Natur-u. Umweltschutz noch in den Kinderschuhen steckte. „Ich musste mir so manche Beschimpfung anhören“, erinnert sich der Preisträger. Und auch Mobbing erlebte Wolfgang Kolbinger am eigenen Leib. „Das fiel in eine Zeit, in der meine erste Frau an Krebs erkrankte und mein Vater starb. Ich reagierte mit einer Depression auf diese Situation und begab mich in therapeutische Behandlung. Hier lernte ich, hinter meine eigene Fassade zu blicken und Veränderung im Sinne eines inneren Wachsens zu bewirken. Denn wenn ich etwas an mir ändere, ändert sich auch mein Umfeld“. Aufgrund dieser Erfahrung absolvierte Kolbinger eine körperpsychologische Ausbildung mit anschließender Weiterbildung in der Männerarbeit. Schon zuvor nahm Wolfgang Kolbinger an einer Männergruppe in Hamburg teil – so kam ihm die Idee, seine Erfahrungen und sein Wissen in der „Lösungswege“-Gruppe einzubringen. Auch den Arbeitskreis „No Mobbing“ – der Frauen wie Männer hilft - unterstützt er durch Einzelberatungen und Gruppenangebote.
Sein Engagement ist Wolfgang Kolbinger sehr wichtig: „Ich möchte noch viele Jahre Menschen in schwierigen Situationen begleiten“. Am schönsten sei für ihn die Dankbarkeit Betroffener, aber auch deren Angehörigen. „Oft bekomme ich Dankesbriefe, manchmal auch von Frauen, deren Männer in der Gruppe Hilfe fanden. Die angebotene Unterstützung, Begleitung und Hilfe findet durch mich aber insbesondere durch den gegenseitigen Austausch der Betroffenen untereinander statt“. Die Verleihung des Ansgarkreuzes empfindet er als Anerkennung seines Wirkens: „Ich war zunächst total überrascht, und dann sehr stolz“, freut sich Kolbinger.
In seiner Arbeit hilft ihm der Glaube an Gott. „Ich bin zwar sehr streng evangelisch erzogen worden und hatte als junger Mann Konflikte mit meinem Glauben und somit arge Zweifel. Diese Zweifel überwand ich, mit der Zeit und den Schritten die ich mir erarbeitete, um mein tiefes Vertrauen auf Gott zu gewinnen“.