Propst Philip Graffam schreibt in seinem Beitrag zu Weihnachten über seine Gedanken während eines Spaziergangs durch das winterliche Ratzeburg.
Die Gedanken wandern...
Es ist ein unglaublich schöner Nachmittag am Sonnabend vor dem 4. Advent. Ich mache ein paar Schritte entlang des Küchensees in Ratzeburg. Der Himmel ist strahlend blau und es ist sehr kalt. Die Sonne steht ziemlich tief am Horizont über dem See und der Schnee glitzert silbern. Eine wunderbare Stille liegt über Ratzeburg und in mir steigt die Vorfreude auf Weihnachten auf. Ich schaue in den strahlend blauen Himmel und meine Gedanken fangen an zu wandern.
In einem Lied fragt die Gruppe Silbermond: „Wann reißt der Himmel auf? / Auch für mich, auch für mich. / Wann reißt der Himmel auf? / Sag mir wann, sag mir wann.“
Das Lied erzählt von einem Mann, der sich mit tausend Kreuzen herumquält. So viel hat er zu tragen. Aber so sehr er sich auch anstrengt, jeder Tag gleitet ihm aus seiner Hand.
Und da ist eine junge Frau, die durch alle sozialen Netze fällt. Drogen bringen ihr die Illusion von ein wenig Ruhe und Wärme, aber das ist nur ein kurzer Rausch. Noch nie fiel ihr etwas in den Schoß. Immer musste sie kämpfen.
In meinen Gedanken kommen noch Menschen und Schicksale hinzu, die es auch verdient hätten, besungen zu werden. Geflüchtete aus den Kriegsgebieten. Familien, die ohne Strom in der kalten Ukraine leben. Aber auch bei uns. Familien, die merken, dass es knapp wird über den Winter. Einsame, die auf keinen Besuch hoffen können.
Wann reißt der Himmel auf? Wer so fragt, hat einen letzten Funken Hoffnung. Und den setzt er, den setzt sie auf den Himmel. Zu Recht. Dafür ist der Himmel da: dass sich Perspektiven auftun, von denen Menschen vorher nichts ahnten.
Dafür ist der Himmel da
Nirgendwo öffnet sich der Himmel so gewaltig wie um die Geburt Jesu herum. Hier beginnt ein Menschenleben, das randvoll ist mit Himmel. Die einen werden vom überwältigenden Glanz überflutet wie die Hirten. Andere erreicht nur ein Strahl von diesem Licht durch die Engel, die sie besuchen – aber immer bekommt ihr Leben eine ungeahnte Wendung.
Und da liegt es. Das Kind in der Krippe. In der Heiligen Nacht wird es uns gesagt, von Gott selbst. Es wird jedem und jeder hier, ohne Unterschied in der Person: dem Reichen und der Armen, der Gesunden und dem Kranken, den Jungen und Alten, der mit der starken Seele und dem mit der verwundeten Seele. Gott macht keinen Unterschied, wenn er zu uns sagt: Es ist schön, dass es DICH gibt, ja dich ganz persönlich. Lass es dir gesagt sein; empfinde es möglichst und schmiege dich in diese Worte ein wie in eine warme Decke. Wir brauchen das; alle brauchen das. Es veredelt unser Leben.
Und das Leben der anderen auch. Lassen wir es uns von Gott gesagt sein: Du bist wichtig; es ist gut, dass es dich gibt; und sagen wir es anderen weiter – zu Weihnachten und in den Tagen danach.
Ich wünsche Ihnen ein frohes, friedvolles und gesegnetes Weihnachtsfest.