Lübeck/Lauenburg. Der Juni beschert dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg einen vollen Musik-Kalender. Wer noch nicht weiß, welches Konzert das richtige ist, bekommt hier eine kleine Hilfe: Unser Musik-Experte Tim Karweick hat sich alle benannten Stücke aus unserem Kalender angehört. Hier erzählt er, was uns erwartet.
Viele weitere Konzerte und Gottesdienste gibt es in dieser Monatsübersicht für den Juni.
Heitere Geigen, gefährliche Tänze
Sommerkonzert mit dem Orchester in St. Jürgen: Musik englischer Komponisten
Sonnabend, 3. Juni 2023, 18 Uhr, St. Martin Lübeck
Zu englischer Orchestermusik fällt auch Kennern erstmal nicht so viel ein. Das soll sich jetzt ändern, beim Konzert des Orchesters in St. Jürgen stehen ausschließlich Engländer auf dem Programm. Edward Elgar ist dabei einer der bekannteren Namen. Seine „Serenade für Streichorchester“ eröffnet mit gefälligen Melodien im ersten Satz, kontrastiert aber gleich mit einem dramatischen Mittelteil mit Tonartwechseln und kunstvoller Chromatik. Der Schluss-Satz nimmt den heiteren Schwung des Anfangs wieder auf, und dann - das kennt man doch? Da kommt ein Thema aus dem ersten Satz wieder und schließt das Stück ab. Aus den drei Sätzen wird so ein großer Bogen.
Ich bin hoffentlich nicht der Einzige, der den Namen Peter Warlock nicht kennt? Bei den Lebensdaten (1894–1930) bin ich auf Vieles gefasst – aber nicht so sehr auf eine Suite mit französischen Tänzen im Renaissance-Stil. Einige hochromantische Anklänge gibt es in den 6 Sätzen und gelegentlich sprenkelt Warlock etwas expressivere Dissonanzen ein. Das führt zu eigentümlichen Gegensätzen wie im letzten Satz: Der „Sword Dance“ beginnt wie auf einem Renaissance-Ball, aber bald zerschneidet das Schwert mit kurzen dissonanten Figuren die Idylle. Ob dieser Tanz unfallfrei endete?
Beim Naschen erwischt
G. Rossini: Petite Messe Solennelle
Sonntag, 11. Juni 2023, 17 Uhr, St. Lorenz Travemünde
Giachino Rossinis „Petit Messe solennelle“ hat mit Solisten, Chor, Klavier und Harmonium eine ungewöhnliche Besetzung. Ans Harmonium muss man sich erst ein wenig gewöhnen, aber die kleine Schwester der Orgel (oder die große Schwester des Akkordeons?) fügt sich subtil ein. Das Instrument bietet eher dezente Farbtupfer, nur im sehr kurzen „Ritournelle“ darf es einmal ganz allein erklingen.
Wunderbar schwelgen die italienischen Melodien schon im „Kyrie“ zu Beginn. Bei solcher Klangpracht in geistlichen Werken fühlt man sich als norddeutscher Protestant immer wie beim Naschen erwischt. Manchmal kommt sogar der Opern-Rossini deutlich durch, vor allem in der Tenor-Arie Domine Deus. Crucifixus – die Passage, in der Jesus gekreuzigt und begraben wird - klingt mit seiner fast tanzenden Begleitfigur eher tröstlich. Insgesamt eine kurzweilige Vertonung einer Messe in „kleiner Dosis“.
Dietrichs Sündenregister
Dietrich Buxtehude: Wacht! Euch zum Streit gefasset macht
Freitag, 23. Juni 2023, 21 Uhr, Propsteikirche Herz Jesu Lübeck
Mal ein Oratorium, das sich nicht mit Weihnachten oder Ostern beschäftigt: In Buxtehudes Werk wird das jüngste Gericht thematisiert. Der Text stammt allerdings nicht aus der Bibel, sondern ist eine freie Dichtung, die über Sittenverfall und Umkehr zu Gott sinniert.
Solo-Stimmen verkörpern allegorisch die Laster wie Geiz, Leichtfertigkeit und Hoffart und preisen in Arien ihre „Leistungen“ an. Eine „göttliche Stimme“ und der Chor mahnen dazwischen immer wieder zur Einsicht. Das klingt für heutige Ohren sehr belehrend. Zeitlos ist aber Buxtehudes Mischung aus eindringlicher Textvermittlung und kunstvollen Umspielungen oder Koloraturen. Besonders eindrücklich im herrlich geseufzten Chor „Ach! Wache auf!“ mit seinen nachdenklichen Pausen und abgehackten Phrasen. In der schönen Akustik der Lübecker Herz-Jesu-Kirche dürften gerade solche Stellen beeindrucken.
Und jetzt alle!
Thomas Gabriel: Misa de Solidaridad
Sonntag, 18. Juni 2023, 18 Uhr, St. Andreas Kuddewörde
Sonntag, 25. Juni 2023, 18 Uhr, St. Franziskus Schwarzenbek
Die Chöre aus Schwarzenbek und Kuddewörde tun sich zusammen, um die „Misa de Solidaridad“ von Thomas Gabriel (geb. 1957) aufzuführen. Der spanische Titel zeigt es schon an, hier treffen hier lateinamerikalische Rhythmen und Melodien auf klassische Chorsätze. Deutsche und spanische Messtexte wechseln sich ab. Die Musik ist meistens in strophischen Liedern angelegt. Die "Misa" ist auch deshalb eingängig und mitreißend, man möchte spätestens beim dritten Durchgang einer Melodie mitsingen. Mein Highlight ist das jubelnde Gloria mit seinen packenden Taktwechseln. Fleißige Gottesdienst-Sänger:innen werden zumindest den Schluss mitsingen können: Es ist das Lied „Bewahre uns Gott“ aus dem evangelischen Gesangbuch. Sein lateinamerikanischer Ursprung kommt hier bestens zur Geltung.
Wer Lust auf diese Musik bekommen hat, kann sich zum Mitmachen bei Kantor Markus Schell melden: info@klaviertaste.com.
Trompeten-Überraschung
Fanny Hensel: Lobgesang & Zum Fest der Heiligen Cäcilia
Sonntag, 25. Juni 2023, 17 Uhr, Marienkirche Sandesneben
Der „Lobgesang“ ist mit Vorspiel, Chor, Rezitativ, Arie und Schlusschor nur eine kurze Kantate. Die „Pastorale“ als Eingang erinnert an barocke Hirtenmusik à la Bach und Händel. Und auch sonst sind die Abläufe gewohnt: Der Chor beginnt zusammen und fächert sich dann zur Fuge auf, wie es bei Bach schon beliebt war.
Die Solo-Sopranistin darf dann den Text des Lieds „O dass ich tausend Zungen hätte“ singen. Herrlich ausschweifend sind die Auszierungen bei den Worten „... und jeder Odem ein Gesang!“ Im Schlusschor erklingt dann auch die Liedmelodie, kunstvoll umspielt von Stimmen und Orchester. Plötzlich beginnen mittendrin Trompeten zu triumphieren. Die waren doch vorher gar nicht dabei? Statt eines kraftvollen Endes komponierte Fanny Hensel dann aber ein Decrescendo aus. Der Chor und Orchester werden langsamer, leiser, entschwindet in sphärischen Höhen. Ein effektvoller Schluss!
Etwas inniger und romantischer geht es bei der Komposition „Zum Fest der heiligen Cäcilia“ zu. Der lateinische Text zur Verehrung der Heiligen stammt aus dem Mittelalter. Chor und Solisten werden nur vom Klavier begleitet. Originell sind die Übergänge zwischen Sinnabschnitten, die sich nie ankündigen und trotzdem immer organisch wirken. Auch harmonisch führt die Komponistin die Ohren immer wieder zu Überraschungen. Das „Domine Deus“ des Solo-Soprans ist zum Dahinschmelzen und den Konzertbesuch alleine wert!
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