Der Teufel kommt selten zweimal im gleichen Kostüm – mit diesem Satz schloss Thomas Baltrock, Pastor an der Lübecker Aegidienkirche, sein Grußwort während des Ehrenkolloqiums für Wilhelm und Elisabeth Jannasch der Universität Mainz. Die Ehrung des Ehepaares durch die Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ sei auch Verpflichtung zur Wachsamkeit im Jahr 2022.
Ehepaar Jannasch rettete Leben
Gemeinsam haben der Pastor und seine Ehefrau Juden und Christen jüdischer Herkunft während des Nationalsozialismus das Leben gerettet. Sie übertraten dabei mehr als einmal die Grenzen zu illegalem Handeln und setzten sich einem hohen Risiko aus. Wilhelm Jannasch war Pastor an St. Aegidien, Lübeck, später in Berlin und von 1946 bis 1948 als Gründungsdekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Mainz.
Kirchengemeinde St. Aegidien beantragt Aufnahme
Die Kirchengemeinde St. Aegidien hat zusammen mit dem Historiker Hans-Jörg Buss die Aufnahme des Ehepaares Jannasch in Yad Vashem vorgeschlagen. Als die positive Antwort in Lübeck einging, habe das mehrere Gefühle ausgelöst, so Thomas Baltrock: „Stolz auf und Ehrfurcht vor dem Vorgänger und seiner Ehefrau, aber auch Scham ob jahrzehntelangen Vergessens.“
"Es ist, als hätte es ihn nie gegeben"
Derzeit wird in Lübeck an einer kleinen Ausstellung über das Ehepaar Jannasch in der St. Aegidienkirche gearbeitet. Die Resonanz auf den Aufruf nach Erinnerungsstücken über die lokalen Medien und sozialen Netzwerke sei ausgeblieben, erzählte Baltrock in Mainz. „Ich halte das für keinen Zufall. Denn es gibt zahlreiche Überlieferungen über Kollegen von Wilhelm Jannasch aus dem ersten Drittel des Jahrhunderts. Es ist, als hätte es einen Pastor Jannasch an St. Aegidien nie gegeben. Beliebt war er freilich nicht: Er galt als zu intellektuell, arrogant und schroff. Er war schon früh in Hinblick auf den erstarkenden Nationalsozialismus klarsichtig, zu klarsichtig für Kollegen und die meisten Gemeindeglieder.“
Kirchengemeinde sieht sich in der Verantwortung
Die Kirchengemeinde St. Aegidien sei sich bewusst, nicht nur Nachfolger:innen des tapferen Pastors Wilhelm Jannasch zu sein, sondern ebenso Nacholger:nnen seiner Gegner in Pastorenschaft und Kirchenvorstand. „Wir sind auch Träger:innen einer nicht von uns zu verantwortenden, aber zu tragenden Schuld. Und diese Schuld gebiert Verpflichtung. Verpflichtung zu Wachsamkeit im Jahr 2022 - der Teufel kommt selten zweimal im gleichen Kostüm.“
Weiterführende Links zum Thema
Mehr zur Ehrung von Wilhelm und Elisabeth Jannasch als „Gerechte unter den Völkern“ gibt es hier.
Weitere Informationen zum Ehrenkolloquium der Univesität Mainz gibt es hier.