Dr. Ulf Kassebaum ist der neue Geschäftsführer des Diakonischen Werks im Herzogtum Lauenburg. Der 50-Jährige hat seinen verantwortungsvollen Posten zum 1. März 2022 übernommen. Ein Interview.
Dr. Ulf Kassebaum - ein Interview
Am 25. Mai werden Sie offiziell in Ihr neues Amt eingeführt - ein großer Tag für Sie. Schon nervös?
Dr. Ulf Kassebaum: Ganz ehrlich: Ich freu mich auf den Tag. Ich hoffe, dass viele Menschen, die ich als Kooperationspartner, als frühere Kolleginnen und Kollegen oder als zukünftige Mitarbeitende schätze, dabei sein können und wir alle gemeinsam ein, zwei schöne Stunden verleben. Ich gebe aber zu, dass ich ein wenig aufgeregt bin. Es ist ja schon etwas merkwürdig, im Mittelpunkt zu stehen, ohne aktiv etwas dazu beizutragen - außer eben als Mensch in ein neues Amt eingeführt zu werden.
Wer ist eigentlich Ulf Kassebaum?
Ich bin jemand, der tief verwurzelt ist hier in der Region. Einer, der viel Freude daran hat, mit Menschen in Kontakt zu treten. Ich bin jemand, der offen auf andere zugeht, der sich aber auch freut, wenn er in seiner freien Zeit mal seine Ruhe hat und allein mit dem Rad oder in den Laufschuhen die Gedanken schweifen lassen kann, Ideen entwickelt, Pläne schmiedet.
Der alte Neue in Ratzeburg
Für viele sind Sie der Neue, dabei sind Sie im Diakonischen Werk alles andere als das…
Das stimmt. Ich bin seit 2007 als leitender Mitarbeiter im Diakonischen Werk und hab die Entwicklung von einem recht überschaubaren Werk mit 15 bis 20 Mitarbeitenden hin zum heutigen Stand mit nahezu 100 Beschäftigten in sieben Fachbereichen miterleben können. Ganz neu bin ich also nicht, im Gegenteil. Die Geschichte und Entwicklung in den verschiedenen Fachbereichen ist mir vertraut. Tatsächlich war mir die Arbeit des Diakonischen Werks auch vorher schon, als ich noch an anderer Stelle arbeitete, ein Begriff. Und auch den Kirchenkreis kannte ich gut, weil es in meinen früheren Tätigkeitsfeldern Kooperationsbeziehungen und Anknüpfungspunkte gegeben hat.
Als der Abschied von Ihrem Vorgänger näher rückte, haben Sie sich regulär beworben?
Ja, es gab eine reguläre Ausschreibung und dem Verfahren habe ich mich gestellt. Tatsächlich habe ich vorher an der einen oder anderen Stelle schon einmal das Gespräch gesucht, um herauszufinden, ob ich für das verantwortungsvolle Amt überhaupt in Frage kommen würde und die Erwartungen erfüllen kann.
Mussten Sie also lange nachdenken, ob Sie Ihren Hut in den Ring werfen?
Ich hab weniger darüber nachgedacht, ob ich aus meiner Sicht die Voraussetzungen mitbringe. Wie gesagt: Ich hatte zahlreiche Prozesse im Diakonischen Werk mit begleitet und mitgestaltet. Mir für die Aufgabe als Geschäftsführer zusätzliche Fähigkeiten anzueignen oder zu erwerben, das traute ich mir zu. Aber: Es ist etwas Anderes, ob man von innen aus dem Betrieb oder frisch von außen kommt. Der Blick ist ein anderer, ganz klar. Natürlich war mein Interesse groß, das Diakonische Werk mit weiterzuentwickeln. Ich habe mir aber sehr intensiv die Frage gestellt, ob ich mit einer internen Bewerbung dem Werk unter Umständen Chancen nehme. Das habe ich sorgsam abgewogen - und bin schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass der interne Blick keinesfalls schädlich sein wird. Im Gegenteil, die Vertrautheit mit den komplexen Themen der unterschiedlichen Fachbereiche erschien mir als Vorteil. Da habe ich dann meine Bewerbung eingereicht. Mit Erfolg, wie man rückblickend sagen kann.
Fortan haben Sie das Sagen im Diakonischen Werk und müssen im Zweifelsfall auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Ist das leichter oder schwerer, wenn man „den Laden“ kennt?
Das kann ich noch nicht beurteilen. Ich bin jetzt seit zwei Monaten in diesem neuen Amt und bin in einer sehr dynamischen Zeit eingestiegen. Es war sofortiges Reagieren, unmittelbares Entscheiden notwendig. Der Handlungsdruck war gegeben durch den Krieg in der Ukraine. Kooperationspartner traten an uns heran und baten, aktiv zu werden. Es stellte sich nicht die Frage, was ist jetzt populär oder unpopulär, führt diese oder jene Entscheidung möglicherweise zu Konflikten. Entscheidend war: Was können wir tun, mit wem muss ich sprechen, um in Not geratenen Menschen zu helfen. Rückblickend war es genau richtig, als jemand einzusteigen, der die Strukturen kennt. Ich wusste, wo welche Kompetenzen liegen, welche Kapazitäten vorhanden sind. Das hat geholfen.
Eine Reihe von Herauforderungen
Sie übernehmen das Ruder in global turbulenten Zeiten. Was werden die Herausforderungen sein?
Es gibt zahlreiche Herausforderungen. Das war mir auch sehr bewusst, als ich mich beworben habe. Ein zentrales Thema wird der Fachkräftemangel werden. Wir müssen schauen, wie wir gut qualifizierte Mitarbeitende binden und erreichen können. Wir müssen als Arbeitgeber attraktiv sein und bleiben. Mir liegt viel an einer Unternehmenskultur, in der sich die Menschen wohlfühlen und Mitarbeitende engagiert für diejenigen, für die wir da sein wollen, arbeiten können. Ich möchte, dass die Arbeit unseres Sozialwerks qualitativ gut ist.
Vieles steht und fällt aber mit den Finanzen...
Natürlich. Und es bleibt unsere Aufgabe und eine Herausforderung auch zukünftig hinreichend Fördergelder zu generieren, um bedarfsgerechte Angebote für die Menschen im Landkreis zu schaffen. Aber: Ich kann garantieren, dass wir auch weiterhin mit dem Geld, das wir vom Kirchensteuerzahler oder Finanzgebern wie dem Bund, dem Kreis oder der Kommune erhalten, gute und sinnvolle Arbeit leisten werden. Wir sind einer der größten Träger vor Ort im Herzogtum und haben ein sehr breit ausgelegtes Portfolio. Wir decken verschiedene Bereiche in der sozialen Arbeit ab, begleiten Paare in der Familienplanung, Menschen in finanziell schwierigen Situationen, haben zahlreiche Beratungsangebote, offene Treffpunkte. Das zu erhalten, bedarfsgerecht anzupassen und weiterzuentwickeln, das ist mein Ziel.
Das Diakonische Werk 2032
Wagen wir einmal einen Blick nach vorn: Wie sieht das Diakonische Werk 2032 im Herzogtum Lauenburg aus?
Ich glaube, dass wir viele Aufgaben, die wir jetzt übernommen haben, weiterhin begleiten werden und in einigen Bereichen die Angebote noch ausweiten. Im Bereich Migration und Integration ist die Entwicklung sehr dynamisch. Da wird sich noch viel verändern - nicht zuletzt unter Aspekten wie dem Klimawandel. In Hinblick auf Digitalität und digitale Zugänge habe wir noch großes Entwicklungspotenzial. Es wird noch lange vor 2032 selbstverständlich sein, dass Menschen mit ihrem Smartphone Informationen erhalten, Termine buchen oder Zugänge zu Angeboten bekommen, ohne dass sie sich direkt dorthin bewegen müssen. Corona hat uns gezeigt, dass das durchaus möglich ist. Corona hat uns aber auch gezeigt, dass die persönlichen Kontakte zu den Menschen unverzichtbar sind. In nahezu allen unseren Arbeitsbereichen ist der direkte zwischenmenschliche Kontakt, die Begegnung im Gespräch, nicht ersetzbar.
Sie sind seit dem 1. März offiziell im Amt. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag zurzeit aus?
Tatsächlich bin ich zurzeit viel unterwegs, besuche unsere Einrichtungen und bin im Kontakt mit unseren Kooperationspartnern. Jeder Tag ist anders. In der vergangenen Zeit habe ich zum Beispiel alle Teams besucht, habe mir die Arbeitsfelder angeschaut, das Gespräch mit den Mitarbeitenden gesucht und mir einen Überblick verschafft. Die Frage war, was läuft gut, wo gibt es noch Chancen zur Weiterentwicklung?
Wer Sie trifft, nimmt Sie stets als ruhig, ausgeglichen und fröhlich wahr. Was verdirbt Ihnen eigentlich die Laune?
Ignoranz. Intoleranz. Und: Wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden - und das umso mehr, wenn sie den Status eines Versprechens haben.
Besondere Liebe zum Herzogtum
Wer in Ihre Vita blickt, bemerkt, dass Sie Ihrer Heimatregion immer treu geblieben sind. Hatten Sie nie das Bedürfnis, mal ganz woanders hinzuwollen?
Das ist richtig. Ich fühle mich hier im Herzogtum Lauenburg und im Norden zu Hause. Tatsächlich aber gab es zwischendurch mal kurze Impulse, die aber nie so attraktiv waren, nicht hierzubleiben. Ich mag es, hier durch die Straßen zu gehen und Menschen zu treffen, die ich kenne. Das gefällt mir gut.
Wann ist das Herzogtum Lauenburg eigentlich am schönsten?
Eindeutige und klare Antwort: im Frühling. Es gibt nichts Schöneres, als das Erwachen der Natur zu erleben - wie alles wieder grünt und in den schönsten Farben blüht. Der Frühling ist wie ein Versprechen, dass nach einer Zeit der Dunkelheit und Tristesse des Winters das Leben wieder erwacht.
"Glaube gibt mir Kraft und Stärke"
Sind Sie eigentlich gläubig?
Ich bin ein sehr gläubiger Mensch, bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Wir waren zwar nicht die klassischen Sonntags-Gottesdienstgänger, aber ich war in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv, als Konfirmand fast jeden Sonntag im Gottesdienst. Ich habe aber auch Phasen in meinem Leben gehabt, in denen das nicht so stark gewesen ist, wo ich sogar mit meinem Glauben gehadert habe. Das war in meinem jungen Erwachsensein. Ich habe es aber als Geschenk empfunden, meinen Glauben dann wiederzufinden. Glaube gibt mir persönlich ganz viel Kraft und Stärke.