Lübeck. Den Krankenhaus-Seelsorger:innen fällt in der Corona-Pandemie eine besondere Rolle zu. In Zeiten steigender Intensivfälle, strikter Besuchsverbote und einem am Limit arbeitenden Klinikpersonal sind die Pastor:innen stark gefordert. Ein Stimmungsbild aus Lübeck.
Corona hat die Situation verschärft
Martin Behrens ist seit drei Jahren evangelischer Seelsorger am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck. Viele Jahre hat der heute 64-Jährige im Gemeindedienst gearbeitet. „Zwar ist auch das Uni-Klinikum eine Gemeinde“, erklärt er, „aber es gibt einen entscheidenden Unterschied.“ Wechseln sich Freud, Trauer und Leid in einer klassischen Kirchengemeinde ab, sind es hier meist die schweren individuellen Schicksalsschläge, die den Alltag des Pastors dominieren. Und: „Corona hat die Situation in Wellen immer wieder verschärft“, sagt Martin Behrens.
Seit drei Jahren am UKSH in Lübeck
Jeden Tag legt er so manchen Kilometer zurück - zwischen seinem Büro und den Stationen. Neben der Palliativ- und der Intensiv-Abteilung gehört auch die isolierte Covid-Station zu den Einsatzgebieten des Seelsorge-Teams. „In den meisten Fällen werde ich gerufen - vom Klinikpersonal, von den Patient:innen selbst oder von Angehörigen, die ihre Lieben wegen der strengen Auflagen nicht besuchen können“, berichtet der Seelsorger.
Viele Erkrankte fragen: Warum ich?
Martin Behrens kann zuhören. Er tröstet, muntert auf, leistet Beistand. Eine Frage werde ihm immer wieder gestellt: Warum ich? Warum meine Partnerin, mein Partner, mein Kind? „Ich bete mit den Menschen, wenn sie es möchten. Vor wenigen Tagen habe ich einem Patienten, der an Covid-19 erkrankt war, einen letzten Segen gegeben.“ Eine von vielen beinahe schon alltäglichen Situationen, die trotz aller seelsorgerischer Erfahrung nicht spurlos an dem Theologen vorübergeht. „Es berührt mich sehr, zumal es nicht leicht ist, den Menschen das notwendige Gefühl von Nähe zu vermitteln, wenn ich mich ihnen nur unter Vollschutz mit Maske und Visier nähern kann.“
Verschärfte Maßnahmen in den Sana-Kliniken
Die verschärften Corona-Maßnahmen in den Kliniken erschweren auch die Arbeit von Christine Grossmann. Seit Oktober 2020 ist die Pastorin Krankenhaus- Seelsorgerin in den Sana-Kliniken in Lübeck. Für die 55-Jährige ist es längst gelebte Normalität, mehrfach pro Tag Schutzkleidung anzuziehen, auszuziehen. „Ich weiß, wie gefährlich dieses Virus ist und dass wir alle alles tun müssen, die Ausbreitung zu verhindern“, sagt die Theologin. „Ich weiß aber auch, dass Gespräche zur Heilung von Patient:innen beitragen können und schwerkranken Menschen Erleichterung verschaffen.“ Darum nimmt Christine Grossmann all die Maßnahmen gern in Kauf. Sie ist da, wenn sie gebraucht wird.
Seelsorgerin: Gespräche werden länger
„Was mir dabei in jüngster Zeit verstärkt auffällt: Die Gespräche mit den Menschen - egal ob Patient:innen, Angehörige oder Mitarbeitende - werden länger.“ Die nicht abebbende Pandemie, die Isolation im Krankenhaus setze vor allem älteren Menschen und Langzeitpatient:innen zu. „Immer wieder führe ich aber auch intensive Gespräche mit Mitarbeitenden, die nach den vielen Corona-Monaten an ihre Belastungsgrenzen stoßen.“
Sorge um eigene Gesundheit
Bei all dem Engagement für ihre Mitmenschen, bei beiden Seelsorgern schwingt auch immer ein wenig Sorge um die eigene Gesundheit mit. Zwar sind beide vollständig gegen das Corona-Virus geimpft, „dennoch bleibt da dieses Wissen, dass man sich auch selbst infizieren und das Virus weitertragen kann“, sagt Pastor Behrens. Entsprechend habe Vorsicht und Testen Priorität.
Wenig Verständnis für Ungeimpfte
Seine Kollegin Christine Grossmann beschäftigt auch der Gedanke, dass sie das Virus nach außen beziehungsweise nach Hause tragen könnte. Und ähnlich wie dem Pflegepersonal fällt es auch den beiden Seelsorgern schwer, nach fast einem Jahr seit Beginn der Impfkampagne Verständnis für Menschen aufzubringen, die das Virus leugnen oder sich weigern, sich impfen zu lassen.
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