Lübeck. Ganz aus und auf Sand gebaut: Zwei "Persönlichkeiten" aus St. Marien zu Lübeck gibt es bis zum 3. November in der Sandskulpturen-Ausstellung in Lübeck-Travemünde zu bestaunen.
"Wer kann sagen, wie viel Sand das Meer, wie viel Tropfen der Regen und wie viel Tage die Welt hat?", heißt es im Buch Jesus Sirach 1,2. Und darauf gibt es keine Antwort. Der Satz aus der Bibel ist das Bild dafür, dass es einfach viel mehr ist, als ein Mensch begreifen kann. In der Sandskulpturen-Ausstellung in Lübeck-Travemünde kann man es in Bezug auf den Sand zumindest annähernd sagen: Mehr als 10 000 Kubikmeter sind hier verarbeitet worden, das sind jede Menge Sandkörner. Und aus ihnen ist von 24 Künstlerinnen und Künstlern etwas sehr Schönes geschaffen worden. Wer genau zwischen den "Legenden, Mythen und Sagen" schaut, entdeckt auch Bekanntes aus Lübeck; darunter zwei geschichtsträchtige Skulpturen, die in direktem Zusammenhang zu St. Marien zu Lübeck stehen und scheinbar widersprüchlicher nicht sein könnten: der Teufel und die kleine Kirchenmaus "Rosemarie".
Faszination für Geschichten aus St. Marien
"Wir sind immer auf der Suche nach Geschichten aus der Region, die wir zwar im Sand nicht verewigen, aber doch neu interpretieren und weitertragen", sagt Ausstellungsleiter Oliver Hartmann. "Die Geschichte vom Teufel und der Kirchenmaus fanden wir neben der Legende vom Fischer Luba und dem Riesen Möves aus Travemünde besonders interessant." Kein Wunder, denn die beiden Figuren faszinieren jedes Jahr wieder Tausende von Tourist:innen und Einheimischen. So wie auch jetzt den Künstler Roger Wing aus Philadelphia, USA, der die Maus und den Teufel in tagelanger Arbeit aus Sand geschnitzt hat. Überlebensgroß erzählen sie in dem neuen Material ihre Geschichte - zwischen römischen Mythen, Dinosauriern und Till Eulenspiegel - der ja auch in Mölln auf dem Kirchberg begraben liegen soll.
Der Teufel wird besänftigt
Fast jede:r Besucher:in an der Marienkirche macht kurz Halt, um ein Foto mit dem Teufel zu machen, doch nicht alle kennen seinen Hintergrund: Der Legende nach half er beim Bau der "Mutter der Backsteinkirchen", weil er glaubte, es werde ein Wirtshaus errichtet - was ganz nach seinem Geschmack gewesen wäre. Als der Teufel bemerkte, dass in Wahrheit eine Kirche gebaut wird, wollte er mit einem riesigen Stein den Bau zerstören - aber wurde abermals besänftigt: "Wir bauen dir ganz in der Nähe ein Wirtshaus", versprachen die Lübecker. Doch der Teufel sitzt noch heute als Bronze auf dem Stein vor der Kirche und wartet darauf - und ist inzwischen zum Symbol für die Verbindung zwischen der Kirche und dem Alltag der Menschen geworden.
Zeichen für Verderben und Wiederaufstieg: die Kirchenmaus
Die Kirchenmaus "Rosemarie" dagegen ist auf den ersten Blick nicht so leicht zu erkennen und muss im Innenraum von St. Marien gesucht werden. Ihre Geschichte geht - in Kurzform - so: An der Marienkirche wuchs einst ein Rosenbaum, von dem die Menschen zur Zeit der Seeräuberei der Dänen im 12. und 13. Jahrhundert dachten, dass solange er blühe, Lübeck auch frei sein würde. Als die Blüten zu welken begannen, gingen die Bewohner dem Ereignis auf den Grund und fanden: eine Maus, die in den Wurzeln ein Nest für ihre Jungen angelegt hatte. Die dunkle Ahnung der Lübecker bewahrheitete sich: 1201 mussten sie sich den Dänen ergeben. Doch nicht für so eine lange Zeit: 1227 besiegten norddeutsche Fürsten und Städte den Dänenkönig Waldemar II. Als Zeichen wurde daraufhin in Lübeck das Dominikanerkloster an der Stelle der ehemaligen königlichen Burg gegründet - und die Hansestadt war wieder frei und wurde mächtiger und mächtiger.
Kunstwerke aus Sandkörnern und Sandstein
Schon kurz danach wurde beschlossen, der Kirchenmaus ein Denkmal in St. Marien zu setzen - in einem Relief hinter dem Altar, wo sie ohne Schaden an den Wurzeln des Rosenzweigs knabbern kann. Von den Besuchenden wird sie hier häufig berührt, denn das soll Glück bringen - und das zeigt seine Spuren. Dunkel hebt sie sich ab aus dem Relief, das tatsächlich aus Sandstein besteht, also einem Gestein, das tatsächlich einmal aus Sand und Sedimentpartikeln entstanden ist. In der Sandskulpturen-Ausstellung in Travemünde ist sie, um ein vielfaches vergrößert, aus feinem Spezialsand nur unter der Zugabe von Wasser neu geformt worden. Aus einem Material, das schon tausende Jahre alt ist - und doch in der Ausstellung nur ein paar Monate in seiner Form bestehen bleibt, um anschließend wieder in eine andere Form überzugehen. Bis Anfang November kann das kleine "Sandmarien" noch besucht und in seinen Details bestaunt werden.
Die Sandskulpturen-Ausstellung in einer überdachten Halle in der Travemünder Landstraße 306 hat vom 16. März bis zum 3. November täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.