Die Dom-Zwillingstürme müssen saniert werden. Doch warum überhaupt? Sieht man sich die Grafiken mit der Einzeichnung der Risse an, wird schnell klar, warum - und auch, warum diese Sanierung nach derzeitiger Schätzung 23 Millionen Euro kostet und acht Jahre dauert.
Zwei Rissarten
Die Baufachleute – Historiker, Architekten und Ingenieure, haben zwei Arten von Rissen ausgemacht: starke Risse, die sich durch das Mauerwerk ziehen mit einer Gesamtlänge von 1.514 Meter. Und feine Haarrisse mit einer Länge von 824 Meter. Damit durchziehen das Mauerwerk der Dom-Türme 2,34 Kilometer lange Risse. „Zusätzlich gibt es noch 3790 verwitterte Backsteine, die erneuert werden müssen“, informiert Carlos Blohm vom Bauausschuss der Domgemeinde. Zusammen wiegen diese 780 Tonnen, das sind 20 LKW-Ladungen (40-Tonner).
Lübecker mussten Backsteinfertigung erst lernen
Zusätzlich wurden feine Risse in den vermauerten Backsteinen gefunden, es sind meist Brandrisse, „sie sind bei der damaligen Fertigung der Backsteine entstanden“, sagt Blohm. Denn: „Die Technologie für die Backsteinherstellung war bei den Römern schon bekannt, doch bei uns im Norden noch nicht. Der Dom war eines der ersten Gebäude im Norden, das mit Backstein erbaut wurde – und es mussten erstmal Erfahrungen gesammelt werden.
Wenn Steine zu schnell aufgeheizt oder die Temperatur zu hoch war, führte dies zu den Rissen“. Auch Restfeuchtigkeit oder Kalk in den Steinen konnte zu den Rissen führen, so Blohm.
Lange Risse durch fehlende Verzahnung
Die bei vergangenen Sanierungen vorgemauerten Backsteine sind nicht mit dem dahinter liegenden Mauerwerk verzahnt. Carlos Blohm erklärt: „Bei einer Verzahnung werden neue Steine in die anderen Steine versetzt hineingeführt“. Passiere dies nicht, arbeite Mauer und bewege sich anders. „Das sind die Gründe für die vielen langen Risse“.
Beton sprengte die Mauer
Bei vorherigen Sanierungen und Ausbesserungen wurde Beton in die Risse gespritzt, der auch in Fehlstellen floss. „Mitunter waren Bereiche nicht richtig vermauert oder Steine fehlten. In diese Räume floss auch der Beton hinein und das hat zu Problemen geführt. In dem Zement sind Bestandteile, die den ursprünglich vermauerten Hochbrandgips bei eindringender Feuchtigkeit förmlich gesprengt haben. Es bildeten sich Kristalle, die ihr Volumen vergrößerten“. Dadurch seien noch mehr Risse und Ausbeulungen entstanden, erklärt der Baufachmann. „Es war bekannt, dass diese Art der Ausbesserung Probleme machen würde, doch in den 50er Jahren gab es keine besseren Alternativen“. Zum Glück gebe es heute Betonmischungen, die nicht zur Sprengung vom Ursprungmörtel führen.
Zusätzliche Schwierigkeit
Eine weitere Schwierigkeit bildet die Neigung der Türme. Der Dom steht auf einem mangelhaften Fundament und schlechtem Untergrund. Auf der nebenstehenden Grafik ist zu erkennen, wie sich die Türme im Laufe der Zeit verschoben haben: um 1,73 Meter nach Westen, der Nordturm nach Norden um 49 Zentimeter und der Südturm nach Süden um 101 cm. Gemessen wurde am Boden (schwarz) und in 50 Metern Höhe (rot).
Zahlen und Fakten
Höhe der Backsteinschäfte: etwa 50 Meter
Höhe der Turmhelme: etwa 60 Meter
Höhe der Doppeltürme: 115 Meter
Fläche Backsteinmauerwerk: 4.508,26 Quadratmeter
Anzahl Backsteine an der Oberfläche: 97.480 Stück
Verwitterte Backsteine : 3.790 Stück
Das Sieben Türme-Projekt
„Sieben Türme will ich sehen“ ist eine 2011 ins Leben gerufene Spendenaktion des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, in Kooperation mit dem Kirchengemeindeverband Innenstadt Lübeck. Durch das Einwerben von Spenden sollen die historischen Innenstadtkirchen – der Dom, St. Marien, St. Petri, St. Aegidien und St. Jakobi, die unter dem Einfluss von Wind, Regen und Frost leiden – erhalten werden. Ohne sie hätte Lübeck nicht seit 1987 den Status als UNESCO Welterbe inne. Hier kann der Erhalt der sieben Türme unterstützt werden: www.sieben-tuerme-luebeck.de/jetzt-spenden.html