Lübeck. Wer die Lübecker St.-Petri-Kirche betritt, sollte von nun an unbedingt einen Abstecher in die Marientidenkapelle machen. Hier ist die neue Dauerausstellung „Gebaute Vision – Vom himmlischen Jerusalem bis zum Nullpunkt der Religion“ beheimatet.
Neue Dauerausstellung in St. Petri
Die Besucher können staunen, was sie auf dem Ausstellungstisch in der knapp 40 Quadratmeter großen Kapelle erwartet: Ein multidimensionales Arrangement mit einer Fülle an Informationen verschiedener Epochen Lübecks und St. Petri. Viel Wissen findet sich in wenigen Worten gut und leicht verständlich direkt auf den Ausstellungstischen. Ergänzt werden sie durch Klappen und Schubladen mit weiterführenden Aspekten, illustriert von historischen Bildern und Requisiten.
Vom Mittelalter bis zur Neuzeit
Dazu gibt es dreidimensionale Drucke der St.-Petri-Kirche in ihren Bauphasen, musikalische Beiträge aus unterschiedlichen Zeiten und ein Touch-Pad mit der digitalisierten ersten Bibel als Gesamtausgabe. Diese „Lübecker Bibel von1534“ ist in niederdeutsch geschrieben und wird auch „Bugenhagen-Bibel“ genannt. Beim Betrachten der alten Seiten werden diese – ebenfalls in niederdeutsch – vorgelesen. Und so findet die Geschichte Lübecks, ihrer Blütezeit im Mittelalter und der Hansezeit, der Altstadtkirchen, der Reformation, der Zeit der Aufklärung, der Judenverfolgung, der Weltkriege und dem langen Wiederaufbau der St.-Petri-Kirche ihren Raum auf kleinem Raum.
Glauben mit Architektur verbinden
„Es war ein spannendes Projekt, die Geschichte des Glaubens mit der Architektur zu verbinden“, schwärmt Ausstellungs-Designerin Kathrin Romer. Sie gebar die Idee gemeinsam mit Liane Kreuzer, Leiterin der Bau-Abteilung des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Die Idee fand Anklang, Beschlüsse wurden gefasst, die Finanzierung gesichert, Texte geschrieben und Fotos recherchiert. Corona machte einen Strich durch den Zeitplan, doch im Herbst 2021 waren die Recherchen und Korrekturschleifen fertig. Im Februar dieses Jahres konnte mit der Umsetzung der Ausstellung begonnen werden. „Uns war schnell klar, dass dieses geballte Wissen aus unterschiedlichen Epochen und Bereichen einfach nicht an Wände passt. Die größte Schwierigkeit war dann aber, die Dichte an Informationen in ansprechender Art in Form zu bringen“, sagt Kathrin Romer. „Und plötzlich fingen die Mauern an zu sprechen“.
Alles auf einen Blick – oder doch nicht?
Gemeinsam mit Architekt Christoph Diebold tüftelte und verwarf sie Pläne, bis die Endfassung alle begeisterte. Ausstellungs-Besucher haben nun die Möglichkeit, die wichtigsten Infos zu den Eckpunkten „ewig“, „groß“, „anders“ und „leer“ schnell zu erfassen – oder aber tiefer in die Materie und die Zeiten der Mittelalters, der Gotik und des Barocks bis in die Neuzeit einzutauchen. „Warum zum Beispiel haben die Lübecker fast zeitgleich sechs – mit St. Katharinen – große gotische Kathedralen auf so engem Raum erbaut und reich ausgeschmückt?“, fragt Petra Kallies, Pröpstin des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. „Von ihren Glaubensvorstellungen und Visionen erzählt diese spannende Ausstellung. Am Ende sind wir gefragt: Welche Hoffnungen haben wir am Beginn des 21. Jahrhunderts für unsere Zukunft?“
Zukunft als Thema in Ausstellung
Denn auch die Zukunft ist Thema der Ausstellung: Gegenüber dem Turm-Shop die Leere zum Programm: In St. Petri gibt es keine traditionellen Gottesdienste mehr, dafür aber liturgische Experimente, wie die Petri-Visionen und Reihe „Solo-Verbo“. Zahlreiche Kultur-, Wissenschaft- und Kunstveranstaltungen fanden und finden in dem Gotteshaus statt, das allen Interessierten, egal welcher Herkunft oder Religion, offen steht. Von ihnen erzählt ein Ringbuch mit kurzen Texten und Fotos sowie ein aktuell bespielter Monitor. „Für mich ist das Besondere an dieser Ausstellung, dass Besucher die alte Geschichte von St. Petri erleben können und gleichzeitig in die neue Geschichte dieser Kirche mit hineingenommen werden“, fasst Pastor Bernd Schwarze zusammen.
Passend dazu haben die Besucher in der Zukunftswerkstatt die Möglichkeit, St. Petri und die Zukunft der Kirche im Allgemeinen mit ihren Ideen und Wünschen mitzugestalten. „So bildet sich im Laufe der Zeit ein Ideenpool der Besucher. Und wer weiß vielleicht könnten da auch Ideen dabei sein, die zukünftig als Grundidee für eine Veranstaltung dienen könnte“, führt Jürgen Rösing, Diplom-Ingenieur beim Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und Koordinator der neuen Ausstellung, aus.
Ohne Stifter und Spender keine Kirche
Wer ein Stockwerk höher geht, findet Richtung Turmaufzug die „Stiftergalerie“ – mit den Namen all derer, die den Bau der Kirche und ihre Sanierung unterstützt haben. Passend dazu wird das Projekt „Sieben Türme will ich sehen“ vorgestellt, in dessen Rahmen aktuell die Sanierung der Türme des Dom zu Lübeck vorbereitet werden.
Finanziell gefördert wurde die Ausstellung, die 205 000 Euro kostete, von der Possehl Stiftung Lübeck, dem Fonds für Kirche und Tourismus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland sowie dem St. Petri Bauverein. Sie kann täglich zu den Öffnungszeiten von St. Petri von 11 bis 17 Uhr besichtigt werden. Wichtig für Turm-Besucher:innen: Aufgrund einer aktuellen technischen Störung ist dieser zurzeit nicht nutzbar.