Petra Kallies, Pröpstin in Lübeck, schreibt zum Osterfest 2023:
Die Macht des Todes ist gebrochen
Dreimal werden wir am Ostermorgen Wasser schöpfen und es ihm über den Schopf rinnen lassen. Dem kleinen Täufling sagen: „Du bist gesegnet, denn Du gehörst zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Geh deinen Lebensweg ohne Furcht, werde ein Mensch des Friedens, Gott ist bei dir!“ So oder ähnlich ist es Brauch seit vielen Jahrhunderten. Ob in Flüssen oder in Dorfkirchen, in großen Kathedralen oder in Lehmhütten, ob Neugeborenes oder Erwachsener – die Taufe verbindet uns mit Christus, der die Macht des Todes gebrochen hat. Das ist Ostern: am dritten Tag hat Gott Jesus Christus von den Toten auferweckt.
Ein solcher Glaube ist nicht logisch, ist nicht rational. Doch ihm wohnt eine ungeheure Kraft inne. Für Christinnen und Christen gibt es noch Hoffnung, wenn alles dagegen zu sprechen scheint. Zerbrochenes kann heilen. Dem Unrecht kann Einhalt geboten werden. Friede kann wachsen, auch wenn alle Zeichen auf Konflikt stehen. Vergebung und Neuanfang ist möglich. Sogar der körperliche Tod kann die Seele nicht auslöschen.
Christinnen und Christen dürfen sich nicht abfinden mit dem Zustand der Welt. Weltflucht geht gar nicht. Als Jesus im Heiligen Land mit seinen Anhängern durch die Dörfer zog, hat er sich besonders den Bedürftigen, den Ausgrenzten und Schuldbeladenen zugewandt. Nach seiner Auferstehung hat er seinen Freunden aufgetragen, sein Werk fortzuführen.
Christen müssen auch Phantasten sein
Christenmenschen müssen immer auch Phantasten sein – es geht nicht nur um das Machbare (das ist eigentlich schon schwer genug), nein, es geht auch um Visionen. Was muss sich ganz konkret ändern, damit Heilung möglich ist? Heilung der Wunden, die Menschen einander im Alltag zufügen, in der Familie, bei der Arbeit, in der Politik, in der Kirchengemeinde (ja, auch da!). Wie können die Wunden geheilt werden, die die ungerechte Verteilung der Ressourcen weltweit immer wieder schlägt?
Wir europäischen Christen, deren Glaube unsere Kultur nachhaltig geprägt hat, haben das Visionäre gezähmt. Wir sind Realisten geworden, umsichtige Verwalter des kulturellen Erbes, auch des Glaubens, der uns anvertraut ist. Das ist wichtig, zweifellos.
"Legt die Bedenken beiseite!"
Doch der altkirchliche Osterruf „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“, sagt noch etwas anderes: Legt die Bedenken beiseite! Steht auf! Was hindert Euch, neue
Wege zu versuchen – in der Kirche, in der Politik, in der Wirtschaft?
Euch allen, jeder und jedem einzelnen, hat Gott doch bei der Taufe versprochen: „Du bist gesegnet. Geh deinen Lebensweg ohne Furcht, sei ein Mensch des Friedens, Gott ist bei dir!“ Welch eine Ermutigung – Mut zum Leben und zur Veränderung.
Gesegnete Ostern!