Die Nacht vor Palmsonntag 1942 stellt einen tiefen Einschnitt in die Stadtgeschichte Lübecks dar – und auch in seine Kirchengeschichte. Dieser reicht in seiner Bedeutung hinaus über die enormen Schäden der durch den Bombenangriff besonders getroffenen Kirchen Dom, St. Marien und St. Petri. 80 Jahre liegt dieses Ereignis nun zurück und verbindet sich aktuell damit, dass innerhalb Europas wieder ein Krieg tobt.
Passionsandachten zu Palmarum und dem Ukraine-Krieg
Bis zum 6. April finden mittwochs die Passionsandachten „Das Leid hat viele Gesichter“ immer um 19 Uhr in St. Aegidien statt. Ein ökumenisches Team aus Geistlichen aus der Lübecker Innenstadt bedenkt die unterschiedlichen Gesichter des Leides in der Welt. Dabei kommen sowohl der Krieg in der Ukraine als auch die Palmarumnacht 1942 in den Blick.
Gedenke! "Krieg darf nicht sein!"
Die Innenstadtkirchen gestalten gemeinsame Aktionen zum Gedenken an Palmarum, unter anderem eine Gedenkandacht am Montag, 28. März 2022, ab 20.30 Uhr in St. Marien: „Es ist 80 Jahre her, dass Lübeck die schreckliche Bombennacht erleben musste. Viele Tote, Verletzte und unglaubliche Anstrengungen des Wiederaufbaus. Zeitzeugen erzählen mir, wie erschrocken und bewegt sie sind, dass sie nun wieder auf europäischem Boden einen Krieg erleben müssen. Als „Gedenk-Ort Marienkirche“ erinnern wir und wollen mit allen Kirchen und der Stadt eine deutliche Stimme sein: Krieg darf nicht sein!“, sagt Pastor Robert Pfeifer.
Stabat Mater und Vater unser
In St. Aegidien ist am Sonnabend, 2. April 2022, von 19.30 bis 21.30 Uhr Gioachino Rossinis „Stabat mater“ und Leoš Janáceks „Vater unser“ zu erleben. Der Lübecker Bach-Chor, Mitglieder der Lübecker Philharmoniker, Raphael Arnault und Eckhard Bürger (Leitung) musizieren. Der Eintritt kostet zwischen zehn und 22 Euro, ermäßigt zwischen 8 und 18 Euro zzgl. Vorverkaufs-Gebühren. Kirchenmusiker Eckhard Bürger erläutert: „Die Zeit der Passion in den Wochen vor Ostern ist in besonderer Weise dem Gedenken von Tod und Trauer gewidmet. In starker Weise nimmt der lateinische Text „Stabat mater dolorosa“ (Die mit Schmerzen beladene Mutter steht am Kreuz) aus dem späten Mittelalter dieses Gedenken und Empfinden auf“. Nahe bei diesem Gedenken liege auch die Vertonung des Vater unser von Leoš Janáček. In weicher harmonischer Verschmelzung agieren Harfe, Orgel, Tenor-Solo und Chor in mehreren liedhaften Abschnitten.
Gottesdienst mit Altbischof Kohlwage
An dem großen Gedenk-Gottesdienst zum 80. Jahrestag Palmarum am Sonntag, 10. April 2022, im Dom zu Lübeck sind alle Pastorinnen und Pastorinnen beteiligt, Beginn ist um 10.40 Uhr. Die Predigt hält Altbischof Karl-Ludwig Kohlwage. Er wird von seinen Erinnerungen an die Bombennacht berichten: „Palmarum 1942 gehört ganz fest zu meiner Geschichte mit dem Dom. Die Erinnerung ist unauslöschlich“. Kohlwage ging in der Nacht vom 28. auf den 29. März 1942 nach dem Heulen der Sirenen in den Luftschutzkeller. „Wir wohnten damals in einem Mehrfamilienhaus am St. Jürgenring. Der Keller war mit Stützbalken unter der Decke und Betonplatten vor dem Fenster abgesichert. Ich kann mich an den dumpfen Krach, an das Rieseln von Mörtel und ein Schüttern und Beben, das durchs ganze Haus ging, erinnern. Als wir nach der Entwarnung vor die Tür traten, war es mitten in der Nacht taghell, gleißendes Licht kam uns entgegen – Lübeck brannte lichterloh“, erinnert er sich. Nachhaltig eingeprägt hat sich bei ihm folgendes Bild von der Brücke zwischen der Wallstraße und der heutigen Possehlstraße: „Die Flammen sich durch die Kupferabdeckung des noch stehenden Helms des Südturms des Doms gefressen. Die gewaltige Holzkonstruktion zerbrach beim Sturz wie eine lodernde Fackel. Die glühenden Trümmer begruben unter sich Häuser am Fuße des Doms. Es war die Kirche meiner Jugend, in der zum Dom gehörenden Kreuzkapelle wurde ich später konfirmiert. 50 Jahre später wurde der wieder auferstandene Dom meine Predigtstätte“.
"Erinnerung ist bleibende Aufgabe"
Dom-Pastor Martin Klatt ergänzt: „Was vor 80 Jahren geschah und was derzeit in der Ukraine geschieht, führt vor Augen, dass die Arbeit an der Erinnerung und das immer neue Bemühen um Versöhnung eine bleibende Aufgabe darstellt. Sie hört nicht auf.“
Musikalisches und Zeitzeugen
Am Mittwoch nach Palmarum 13. April 2022, erklingt in der musikalischen Mittwochsandacht „Impuls und Klang“ in St. Jakobi die Stellwagenorgel. Ab 17 Uhr spielt Jakobi-Assistenzorganist Gregor Früh, dazu berichten Zeitzeugen von ihren Erlebnissen der Bombennacht. Dass St. Jakobi wie durch ein Wunder von dem Bombenangriff verschont blieb, berichtet Jakobi-Pastor Lutz Jedeck. „Es gab jedoch mindestens zwei Abwurfreihen, die auf die Kirche zielten. Der einen fiel das Haus Koberg 19 zum Opfer, der anderen die Eckbebauung Fischergrube/Breite Straße. Aus Sorge um weitere Bombenangriffe aus der Luft wurden die beiden historischen Orgeln ausgebaut und ausgelagert. So konnten sie gerettet und nach dem Krieg wieder eingebaut werden“.
Eine Übersicht aller Aktionen finden Sie hier.