Ratzeburg. Nach 23 Jahren als Domprobst verabschiedet sich Gert-Axel Reuß aus seiner Gemeinde in Ratzeburg. Gefeiert wird die Verabschiedung am 26. Mai 2024 ab 14 Uhr mit einem Kantatengottesdienst und anschließendem Gemeindefest.
Mit sentimentalen Gefühlen in den Ruhestand
“Ein bisschen Schiss habe ich schon - das können Sie ruhig schreiben!", schmunzelt Gert-Axel Reuß. Dass er nach 23 Jahren als Domprobst in Ratzeburg nun tatsächlich in den Ruhestand geht, empfinde er als komisch – und es stimme ihn zuweilen auch traurig, sagt er. “Kürzlich das letzte Mal Konfirmation zu feiern, fühlte sich merkwürdig an”, so Reuß. "Ich werde da schon sentimental.“
Sentimentale Gefühle können schon aufkommen nach 23 Jahren als Pastor in der kleinen, nur rund 600 Mitglieder fassenden, dörflich strukturierten Domgemeinde. Dafür ist das Kirchenhaus - der Dom - hier umso größer. Aber genau diese Kombination habe er immer sehr geschätzt und den Dom sofort als sein Zuhause empfunden, erzählt Reuß. “2001 bekomme ich den Schlüssel: Ich schließe auf, ich setze mich erstmal eine Stunde dorthin und denke: Wow, meine Kirche! - Natürlich ist es nicht nur meine Kirche, sondern unsere Kirche. Und das zu vermitteln ist auch mein Anliegen.“
Schöne Erinnerungen an Ostern und Heiligabend
Den Menschen zu zeigen, dass die Kirche ihr Raum ist, sie ihn nutzen und auf sich wirken lassen und ihn genießen können, das sei ihm immer wichtig gewesen. Gern erinnert Reuß sich an viele schöne Heiligabende, die im Dom gefeiert wurden. Stets kamen da auch viele seiner ehemaligen Konfirmand:innen. Danach vor der Kirche in den Sternen erleuchteten Nachthimmel zu blicken - auch so eine Erinnerung, die bleibt. Besonders waren auch die Osterfrühgottesdienste, getragen von alten Gesängen und Riten, manchmal auch mit einer Taufe: “Wenn dann noch das Licht der aufgehenden Sonne auf den Altar fällt, dann ist es wie im Paradies!”
Dass Reuß sich nicht ”nur" Pastor, sondern Probst nennen durfte, hat übrigens historische Gründe. Die Bezeichnung stammt noch aus der Zeit, als die Domgemeinde noch ein Domkapitel hatte.
Erhalt und Sanierung von Dom und Kloster
Die Sorge um den Erhalt des Doms und des anliegenden Klosters spielten in den vergangenen Jahrzehnten neben der Seelsorge und der klassischen Pastorentätigkeit eine große Rolle. Sanierungsarbeiten mussten geplant, finanziert und durchgeführt werden. Dass heute die beiden Wetterhähne des Doms wieder golden vom Dach strahlen, ist auch dem Engagement von Gert-Axel Reuß zu verdanken - genauso die nun fast abgeschlossene Sanierung des Turms.
Reuß hat drei erwachsene Kinder und ist seit 2018 in zweiter Ehe mit Kathrin Niemeyer, der Leiterin der Ratzeburger Paramentenwerkstatt verheiratet. Er selbst ist als Pastorensohn in Dithmarschen und Lübeck aufgewachsen. Sein “Stallgeruch” habe ihm in seinem eigenen Dasein als Pastor stets geholfen, sagt er heute. Nach dem Theologie-Studim in Hamburg und Marburg, dem Vikariat in Hamburg-Eimsbüttel und der ersten Pfarrstelle in Hamburg-Billstedt, wurde Reuß 1992 Referent von Bischof Karl-Ludwig Kohlwage in der Bischofskanzlei Holstein-Lübeck, bevor er schließlich nach Ratzeburg kam.
“Anteil am Leben der Menschen genommen”
Gern erinnert er sich an die vielen Feste, die in und um den Dom gefeiert wurden. Besonderer Höhepunkt war 2012 das Gründungsfest der Nordkirche, bei dem sogar der damalige Bundespräsident Joachim Gauck anreiste. Aber auch Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten und viele Begegnungen mit Menschen bleiben ihm im Gedächtnis: “Ich habe durch Amtshandlungen und Besuche am Leben von Menschen teilgenommen in der ganzen Tiefe. Ich bin dankbar, dass mir Menschen so viel Vertrauen entgegengebracht haben. Das werde ich vermissen. Das war etwas sehr Besonderes und Schönes.” Genauso die Kirchenmusik, die in Ratzeburg einen besonderen Stellenwert hat. Und nicht zuletzt waren auch die sonntäglichen Gottesdienste und das Predigen eine erfüllende Aufgabe für ihn.
Die Kirche wird heute - in einer krisengeschüttelten Gesellschaft - gebraucht, davon ist Reuß überzeugt. Sie biete Sinnstiftung und Lebensbegleitung. Menschen in schwierigen Zeiten sein Gottvertrauen anbieten zu können, das sei für ihn immer wesentlich gewesen.
Nachfolger mit Herz für den Dom und die Menschen gesucht
Für den Ruhestand hat Reuß, der mit seiner Frau weiterhin in Ratzeburg wohnen wird, noch keine konkreten Pläne. Gern will er sich noch vertiefter seinen Interessen widmen, wie (Kirchen-)Geschichte und Theologie, vielleicht auch wieder mit dem Rudern anfangen und weiterhin Predigten für ein Internetportal schreiben.
Die Stelle seines Nachfolgers, bzw. seiner Nachfolgerin ist noch nicht besetzt. Was wünscht Gert-Axel Reuß sich für die Zukunft der Domgemeinde? “Ich wünsche mir, dass die Leute in Zukunft hier weiterhin ein Herz für die normalen Menschen haben. Dass der Dom mit seiner Kirchenmusik und die Dorfkirche zusammenbleiben können." Für ihn sei der Dom ein Ort, der auch von den Menschen erzähle, die hier durch die Jahrhunderte schon ein- und ausgegangen sind. “Diese Menschen waren immer um mich. Wenn man das spüren kann, ist man hier richtig!”
Zur Verabschiedung lädt die Domgemeinde Ratzeburg ein zum Kantatengottesdient mit Propst Philip Graffam und Bischöfin Kirsten Fehrs: am 26. Mai 2014 ab 14 Uhr mit anschließendem Gemeindefest.