Lübeck. Ein Abend in Erinnerung an die Lübecker Märtyrer: Mehr als hundert Gäste, darunter Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft, haben im Burgkloster des Europäischen Hansemuseums dem 80. Jahrestag der Ermordung der vier Geistlichen durch die Nationalsozialisten gedacht.
Am 10. November 1943 waren der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink und die katholischen Priester Herrmann Lange, Johannes Prassek und Eduard Müller hingerichtet worden. Die katholischen Priester waren an der Herz-Jesu-Kirche in der Lübecker Innenstadt tätig, Stellbrink als Pastor in der Lutherkirche. 80 Jahre später trafen sich mehr als hundert Gäste an dem Ort, an dem die Geistlichen monatelang in Isolationshaft gesessen hatten und auf ihr Urteil warten mussten.
Burgkloster - ein bewusst gewählter Ort
Constanze Oldendorf, Pastorin der Lutherkirche, und das Organisationsteam - Sigrid Detloff, Christian Rathmer, Dr. Ingaburgh Klatt und Karen Meyer-Rebentisch - hatten sich ganz bewusst das Burgkloster als Veranstaltungsort für den Gedenkabend ausgesucht. Unter dem Motto „Die Nacht leuchtet“ konnten sich die Teilnehmenden, unter ihnen auch Nachfahren der vom NS-Regime getöteten Geistlichen, auf eine akustische und visuelle Zeitreise begeben.
Musikalisch umrahmt wurde der Abend vom Kammerchor „I Vocalisti“ unter der Leitung von Hans-Joachim Lustig. Schauspieler des Theater Combinale und des Theater Lübeck, Ludwig-Christian Glockzin und Vincent Türpe, lasen an wechselnden Orten - im orangefarbenen Scheinwerfer-Licht im Langen Saal oder im kalten Licht des ehemaligen Gerichtstrakts - aus Briefen der Märtyrer an ihre Familien oder an Weggefährten vor. Die Hausdurchsuchung durch die Gestapo, die Willkür der Justiz, die Leere der Haft, die Gedanken an das nahende Ende. Beinahe greifbar - spürbar waren die Gefühle und Gedanken der vier Geistlichen, denen trotz allem zwei Dinge nicht verloren gingen: ihr Mut, Haltung zu zeigen, die Wahrheit auszusprechen, und ihr grenzenloses Vertrauen in Gott.
Die Teilnehmenden waren eingeladen, sich frei durch das Burgkloster zu bewegen - zu Videoinstallationen mit kommentierten Bildern aus dem Dritten Reich, mit Erinnerungen von Zeitzeugen und Angehörigen. Hier und da gab es Denkimpulse, basierend auf Fragestellungen der Lübecker Märtyrer, in Form von Postkarten zum Mitnehmen: Ist mein Mut stärker als meine Angst? Wer sterben kann, wer will den zwingen? Erzeugt Wissen Verantwortung? Wann ist es Zeit für mich, etwas zu tun?
Podium: Erinnern - und Lehren ziehen!
Fragen, die in einer sich anschließenden Podiumsrunde aufgegriffen, vertieft und diskutiert wurden. Unter Leitung von Michael Birgden, Kommunikationsdirektor der Nordkirche, bekräftigten Altbischof Karl Ludwig Kohlwage, Cesare Zucconi von der katholischen Gemeinschaft San’Egidio aus Rom und Tim Klüssendorf, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Lübeck, gleichermaßen, wie wichtig die Erinnerungskultur einerseits, noch wichtiger aber die Auseinandersetzung mit der Geschichte und die Bedeutung und Lehre für das Leben heute sei. Gerade junge Menschen zu erreichen, sei dabei wichtig. Und Tim Klüssendorf machte Hoffnung: „Auch in einer vermeintlich schnelleren, digitalisierten Welt nehmen sich junge Menschen Zeit, wenn man ihr Interesse weckt.“ Elisabeth Hartmann-Runge, Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, betonte, wie wichtig gegenseitiges geschichtliches Lernen sei. „Wir erwarten, dass sich Geflüchtete auf unsere Geschichte einlassen, im Umkehrschluss müssen wir uns aber auch mit Prägungen anderer auseinandersetzen.“
"Eigene Courage ist gefragt"
Es war ein Abend im Dialog und Austausch, der bei Brot, Wasser und Wein ausklang. „Es wurde deutlich, dass Gedenken Bewegung ist, und das ist mehr als sich an Vergangenes zu erinnern. Die Erinnerung verknüpft sich mit unserer Gegenwart und mit unseren dringenden Fragen. Wir müssen heute wach sein gegen Antisemitismus aufstehen und nicht nur zu erwarten, dass andere dafür sorgen. Eigene Courage ist gefragt“, bilanzierte Pastorin Constanze Oldendorf. "Es wurde deutlich, welch großen Bildungsauftrag die beiden Gedenkstätten für die Lübecker Märtyrer in der Lutherkirche und in der katholischen Kirche Herz Jesu wahrnehmen."