Lübeck. „Bedrohung. Mut. Friede“ lautet das Motto des ältesten deutschen Kreuzweges in diesem Jahr. Am kommenden Karfreitag (7. April) werden Hunderte Gläubige in Lübeck mit einem Holzkreuz durch die Altstadt ziehen und an fünf Stationen an das Leiden und Sterben von Jesus Christus erinnern. Start ist um 10 Uhr an der Jakobi-Kirche.
"Bedrohung. Mut. Friede."
Ansprachen an den einzelnen Stationen halten neben Erzbischof Dr. Stefan Heße und der Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Kirsten Fehrs, der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm (SPD), die Hamburger Generalkonsulin der Ukraine Irina Tybinka sowie die Enkelin des Lübecker Märtyrers Karl Friedrich Stellbrink, Anke Laumayer, und Pastor Lutz Jedeck (St.-Jakobi-Kirche Lübeck).
„Vor 80 Jahren wurden die Lübecker Märtyrer hingerichtet. Ihr mutiger Einsatz für Würde und Gerechtigkeit haben sie das Leben gekostet“ erklärt Erzbischof Dr. Stefan Heße. „Diesen Mut unter Einsatz ihrer Existenz, bringen auch in diesem Augenblick viele Menschen auf der ganzen Welt auf. In Solidarität mit Ihnen gehen wir dieses Jahr den Kreuzweg.“
Fehrs: Kreuz hält Welt zusammen
Für Bischöfin Kirsten Fehrs antwortet der Kreuzweg auf das unermessliche Leid, welches durch Kriege und Diktaturen weltweit verursacht werde mit der Botschaft des Widerstands und des aufrichtigen Mitgefühls: „Erschüttert davon, wie auch in der Ukraine Hass, Menschenverachtung und Diktatur alles zerreißt: Herzen, Menschen, Völkerfriede. Das Kreuz aber ist es, dass die Welt in ihrer ganzen Zerrissenheit zusammenhält. Es ist das klare Zeichen des Aufbegehrens gegen Unterdrückung, Unrecht und Gewalt. So lasst uns eintreten für eine Welt, die die Würde jedes einzelnen Menschen achtet und die nicht aufhört, den Frieden zu lernen.“
Der historisch älteste und 2002 wieder ins ökumenische Leben gerufene Lübecker Kreuzweg hat sich über die Jahre hin zu einem Höhepunkt Lübecker Erinnerungskultur entwickelt. Mit großem Respekt danken dafür Erzbischof Heße und Bischöfin Fehrs insbesondere Altministerpräsident Björn Engholm und Pastor Lutz Jedeck, die sich über zwei Jahrzehnte für den Lübecker Kreuzweg engagiert haben. Beide gehen ihn in diesem Jahr zum letzten Mal. „Seit 20 Jahren gehen wir diesen Weg mit annähernd tausend Menschen und gedenken der Leiden Jesu auf dem Weg zur Kreuzigung“, sagt Björn Engholm. „Wir gehen den Weg an diesem Karfreitag im Bewusstsein, dass ein ganzes Volk in Europa täglich mit Gewalt, Leid und Tod bedroht wird. Wir dürfen und wollen dieses Leid nicht akzeptieren. Krieg ist nicht die ultima ratio, sondern die ultima irratio“, so der Altministerpräsident vorab. Pastor Jedeck betont: „Es ist in Jesu Sinn, Leid, Krankheit, Unbarmherzigkeit, Unrecht und Krieg nicht zu tolerieren. Wir gehen am Karfreitag den Weg darum auch als eine Demonstration gegen Hass, Unrecht und Gewalt, als Weg für den Frieden.“
Ferner wirken am Kreuzweg mit: Pastorin Kathrin Jedeck (St. Jakobi), Pröpstin Petra Kallies (Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg), Pastoralreferentin Claudia Schophuis, Propst Christoph Giering (Propstei Herz Jesu), Michael Hoffelder (früherer Vorstandsvorsitzende Deutsche Bank Bauspar AG) und Prof. Arvid Gast.
Das ist der „Lübecker Kreuzweg“
Kirchenhistoriker halten „Lübecker Kreuzweg“ für den ersten deutschen Kreuzweg:
Der Weg von der Jakobi-Kirche zum Jerusalemsberg ist mit 1.650 Metern exakt so lang wie die „Via dolorosa“ in Jerusalem. Diesen Weg soll Jesus nach seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus bis zum Ort der Kreuzigung gegangen sein.
Der angesehene Kaufmann und Ratsherr der Hansestadt Lübeck, Hinrich Konstin, hatte 1468 für sein Seelenheil eine Pilgerreise nach Jerusalem unternommen. Er starb 1482 kinderlos und verfügte in seinem Testament, dass von seinem Vermögen ein Kreuzweg gebaut werden solle. Noch heute erinnern „Konstinkai“ und „Konstinstraße“ in der Hansestadt an den Stifter.
Der Lübecker Kreuzweg beginnt an einem Relief der evangelischen Jakobi-Kirche.
„Hir beginet de crucedracht Christi bute de borchdare to Jherusale“ (hier beginnt die Kreuztragung Christi durch das Burgtor zum Jerusalemsberg). Vor den Stadtmauern hatte Kostin den Jerusalemsberg aufschütten lassen. Hier an der Konstinstraße sieht man heute neben dem Brahms-Institut einen rund vier Meter hohen Hügel. Ursprünglich muss er höher gewesen sein, denn die Franzosen hatten während ihrer Belagerung 1813 einen Teil abgetragen. 17 stattliche Eichen umrahmen das Denkmal mit der Kreuzigung Jesu.
Nach der Reformation geriet der Lübecker Kreuzweg in Vergessenheit. Erst seit 1994 wird er wieder jährlich gegangen, seit 2002 in ökumenischer Gemeinsamkeit. Die rund 800 Teilnehmenden gehen die fünf Stationen des Lübecker Kreuzweges jeden Karfreitag ab 10 Uhr.