Zwei Jahre lang musste der älteste Kreuzweg Deutschlands pausieren. Hunderte Gläubige aus ganz Norddeutschland waren am Karfreitag in Lübeck bei der ersten Prozession seit Beginn der Corona-Pandemie mit dabei.
Pröpstin Kallies: "Stärkung für den Glauben"
„Ich freue mich, dass wir den Kreuzweg in diesem Jahr wieder gemeinsam gehen können“, sagte Lübecks Pröpstin Petra Kallies. Der Zug bringe Menschen in Bewegung und setze an den fünf Stationen unterschiedliche Akzente zum biblischen Karfreitagsgeschehen. „Das gemeinsame Gebet ist für mich eine wichtige Stärkung für den Glauben. Das gilt besonders in einer Zeit, in der der ,Zusammenhalt’ auf der Welt in dramatischer Weise gefährdet ist“, so Pröpstin Kallies.
Teilnehmende aus ganz Norddeutschland
Gemeinsam mit Bischöfin Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Lübeck und Hamburg, dem katholischen Erzbischof Dr. Stefan Heße und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm startete die ökumenische Prozession an der Kirche St. Jakobi, um an das Leiden und Sterben Jesu zu erinnern. Ebenfalls mit dabei: unter anderem Pastor Lutz Jedeck (St. Jakobi), Pastorin Kathrin Jedeck (St. Jakobi) und Propst Christoph Giering (Propstei Herz Jesu). Hunderte Gläubige kamen in diesem Jahr zu der Prozession durch die Lübecker Innenstadt.
Lübecker Kreuzweg gibt es seit dem 15. Jahrhundert
Kirchenhistoriker halten den Lübecker Kreuzweg für den ersten deutschen Kreuzweg: Der Weg von der Jakobi-Kirche zum Jerusalemsberg ist mit 1650 Metern exakt so lang wie die „Via dolorosa“ in Jerusalem. Diesen Weg soll Jesus nach seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus bis zum Ort der Kreuzigung gegangen sein. Der Lübecker Kreuzweg geht zurück auf Hinrich Konstin. Er war im 15. Jahrhundert ein angesehener Kaufmann und Ratsherr der blühenden Hansestadt Lübeck. Er starb 1482 und hatte in seinem Testament verfügt, dass von seinem Vermögen ein Kreuzweg gebaut werden sollte.
Bischöfin Fehrs: "Ein Nein zur Gewalt"
Der Kreuzweg stand in diesem Jahr unter der Überschrift „Zusammenhalt“. Bischöfin Kirsten Fehrs sagte: „Wo immer Menschen zu Opfern gemacht werden, ist Position gefragt. Klare Position. Ein Nein zur Gewalt. Ein Ja zum Widerspruch. Und ein aktiver Einsatz für die Demokratie, in der die Würde jedes einzelnen Menschen gelten muss. Wir müssen Zusammenhalt zeigen und ein Nein aussprechen, wenn Macht missbraucht wird, wenn Völkerrecht gebrochen wird. Wir werden mit unseren Gebeten, unserem Mitgefühl und unseren Hoffnungskräften gebraucht, gerade in dieser Zeit, damit dem Leid ein Ende bereitet wird.“
Beten für Menschen in der Ukraine
Erzbischof Dr. Stefan Heße betonte: „Seit mehr als sechs Wochen herrscht Krieg in Europa. Fassungslos, sprachlos und ohnmächtig stehen wir vor der Eskalation der Gewalt, der Not und dem Leiden der Menschen und den Trümmern unserer Friedenspolitik und unserer Vorstellungen von einem friedlichen Zusammenleben in Europa. Karfreitag ist der Tag der Klage, des Kummers, der Trauer, der Tag des Unaussprechlichen. Jesus stirbt für uns am Kreuz. Aber: Er überwindet den Tod, er befreit und rettet uns. So denken wir am heutigen Karfreitag hoffnungsvoll an die Menschen in der Ukraine, an die Menschen, die auf der Flucht sind, an die Menschen, die leiden. Wir beten für sie.“