Lübeck. Orgel und Klavier spielen, Chöre und Orchester leiten und Musik vermitteln: Kirchenmusiker:innen haben ein vielfältiges Aufgabenfeld. An der Musikhochschule Lübeck bereiten sich Student:innen auf den Beruf des Kantors oder der Kantorin vor.
Praxis sammeln in der Kirche
Eine erste Bühne bietet ihnen dafür die Lübecker St.-Jakobi-Kirche. In Andachten, Gottesdiensten und Konzerten probieren sich die jungen Musiker:innen in Chor- und Orchesterleitung sowie im Orgelspiel aus. So wie an einem Mittwochnachmittag im Juni: Der Chor der Hochschule ist für eine musikalische Andacht in der Kirche zusammengekommen. Chor- und Orgelmusik von Schumann, Palestrina, Reger und David stehen auf dem Programm. Johannes Knecht, Professor für Chorleitung wechselt sich beim Dirigieren mit drei Kirchenmusik-Student:innen ab. Am Pult stehen heute Sarah Proske, Valentin Manß und Chiara Perneker.
Profile ermöglichen unterschiedliche Ausrichtung
Dass die drei sich in Lübeck für einen Studienplatz beworben haben, liegt auch an den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in Lübeck. Im dritten Studienjahr konnten sie ein Studien-Profil wählen. "Man erhält dann zusätzliche Fächer, beim Profil Popmusik zum Beispiel Jazz-Klavier oder beim Profil Alte Musik Cembalo-Unterricht", erzählt Chiara Perneker. Die drei entschieden sich für das Profil "Improvisation, Komposition und Neue Medien" - und sind angetan von den Möglichkeiten, selber kreativ zu werden: "Es gibt viele Möglichkeiten zu Kooperationen innerhalb der Hochschule oder außerhalb, wie mit Film- oder Orgelfestivals", berichtet Sarah Proske.
Die Kirchenmusik-Ausbildung geht mit der Zeit
Diese Profile sind eine Neuheit in der deutschen Kirchenmusik-Ausbildung. Sie entstanden in Lübeck als Reaktion darauf, dass die Anforderungen und die Studieninhalte stetig mehr werden. Professor Arvid Gast trägt zu der musikalischen Andacht in St. Jakobi die Orgelmusik bei. Er hält die Spezialisierung durch Profile für eine wichtige Neuerung: "Es kommen immer mehr Inhalte für die Studierenden dazu. Mit den Profilen sorgen wir dafür, dass sie sich ihre Stundenpläne individueller gestalten können und neue Möglichkeiten und Kreativität gefördert werden", berichtet er.
Die Fächer des Kirchenmusik-Studiums
Wie in anderen Studiengängen gibt es bei der Kirchenmusik einen Abschluss zum Bachelor. Dieser ist die Befähigung für die B-Kirchenmusik-Stellen, der anschließende Master ist für A-Stellen nötig. Wohl kaum ein musikalischer Studiengang ist dabei so vielfältig und umfangreich wie die Kirchenmusik. Auf dem Lehrplan stehen jede Woche Unterrichtseinheiten in künstlerischem Orgelspiel und Orgel-Improvisation. Dazu kommen die Fächer Gesang, Klavier, Generalbass, Chor- und Orchesterleitung sowie Partiturspiel.
Zu diesen praktischen Fächern treten noch die theoretischen wie Musikgeschichte, Musiktheorie und -analyse, Gehörbildung. Spezieller Unterricht beschäftigt sich mit der Geschichte der Kirchenlieder und gregorianischer Choräle - und die Theologie darf auch nicht fehlen. Dazu kommt noch das selbständige Üben. Hier lernen die Student:innen früh: "Man muss sich die Zeit gut einteilen. Und sich auch mal fragen: Wofür Übe ich heute mal nicht?" sagt Valentin Manß.
Die Motivation: Musik vermitteln und begeistern
Zwei weitere Kirchenmusik-Student:innen singen bei dieser Mittwochs-Andacht Im Chor der Musikhochschule mit: Lisett Haiker und Matthias K. Adleff, beide sind im zweiten Semester. Die Neugier für den Beruf brachten frühe persönliche Kontakte: "Die meisten von uns hatten Organisten oder Chorleiter in ihrer Heimatgemeinde zum Vorbild, so war es bei mir auch", erzählt Lisett Haiker. Kirchenmusik weiter zu vermitteln reizt auch die heutigen Student:innen: "Ich möchte gerne Leute für Musik begeistern. Die Kirche bietet da vielen Leuten einen Zugang", sagt Matthias K. Adleff. Ganz pragmatische Gründe für die Wahl des Studiums sind auch nicht zu vernachlässigen: "Die Aussicht auf einen Arbeitsplatz als Kirchenmusikerin ist ziemlich sicher", sagt Sarah Proske.
Einig sind sich alle fünf darin, dass die Vielfalt der Aufgaben den besonderen Reiz des Berufs ausmachen. Als Musiklehrer:in, Solist:in, Theolog:in, Gesangslehrer:in und Dirigent:in in Personalunion.
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