Lübeck. Aus drei wird eins: Zum 1. Januar 2022 fusionierten St. Thomas, St. Philippus und Auferstehung zur neuen Kirchengemeinde Marli-Brandenbaum. Ist das von langer Hand geplante Projekt gelungen? Welche Probleme haben sich aufgezeigt? Und fühlen sich die 7400 Gemeindemitglieder schon wohl in ihrem neuen geistlichen Zuhause? Eine Zwischenbilanz nach dem ersten Jahr.
Aktive Gemeinde im Osten von Lübeck
Hagen Sommerfeldt sprach von einem „neuen Funken“, der durch den Zusammenschluss der drei Kirchengemeinden in Lübecks Osten entflammt werde. Vor einem Jahr war er noch Vorsitzender des Kirchengemeinderates in St. Thomas. Erst vor wenigen Tagen wurde der Ehrenamtliche zum neuen Vorsitzenden des KGR in Marli-Brandenbaum gewählt. Sein Fazit nach den ersten zwölf Monaten ist unmissverständlich: „Es ist uns gelungen, das Feuer in und für unsere neue Gemeinde zu entfachen.“
Eine Einschätzung, die Pastorin Luise Stribrny de Estrada und Pastor Arne Kutsche teilen. „Im seelsorgerischen Bereich haben wir schon lange intensiv und vertraut zusammengearbeitet, aber auch im neuen Kirchengemeinderat hat es auf Anhieb gut funktioniert“, sagt Kutsche und lobt das große Engagement. „So häufig die Beschreibung auch genutzt wird, aber: Ja, es war und ist eine Aufbruchstimmung, die gleichermaßen spannend und inspirierend ist.“
Gemeindebüro als kirchliche Schaltzentrale
Eines der ersten Projekte, das in Marli-Brandenbaum realisiert worden ist, ist das neue zentrale Gemeindebüro. „Unsere Gemeindesekretärin Katrin Weichel ist erste Ansprechpartnerin für die Anliegen der Gemeindemitglieder - und wir sind tatsächlich ein wenig überrascht gewesen, wie hoch die Frequenz von Anfang an war und ist“, berichtet Arne Kutsche. Binnen eines Jahres habe sich das Gemeindebüro zu einer Art kirchlichen Schaltzentrale im Stadtteil entwickelt.
Weniger Kritik als erwartet
Ein neues Gottesdienst-Modell wurde konzipiert. „Wichtig ist uns, dass alle Standorte gleichermaßen berücksichtigt werden und wir vier Pastor:innen auch überall einmal mit den Menschen einen Gottesdienst feiern, also nicht nur an unseren bisherigen Standorten - und das funktioniert richtig gut“, erläutert Arne Kutsche. Tatsächlich habe es weit weniger Kritik aus den Reihen der Gemeinde gegeben als erwartet. „Das bestärkt uns, allerdings nehmen wir Hinweise sehr ernst und suchen nach Lösungsmöglichkeiten“, fügt Pastorin Luise Stribrny de Estrada hinzu. So hätten beispielsweise ältere Gemeindemitglieder bemängelt, dass sie weitere Wege zurücklegen müssten, um zur Kirche zu gelangen. „Hier werden wir mit dem KGR beraten, ob wir beispielsweise einen Fahrdienst einrichten könnten.“
Neue Ordnung für die Gottesdienste
Mit der Fusion hätten sich, so wie es auch geplant war, Möglichkeiten für neue Angebote ergeben. „Wir haben jetzt ein so genanntes Bibelfrühstück und einen Theologischen Abend“, zählt die Pastorin auf. Durch die Fusion sei die Organisation der Kinderkirche deutlich gestärkt worden. Besonders freut die Seelsorgerin, dass sich auch die Frauengruppen aus den drei ehemaligen Gemeinden ab und zu treffen und frische Impulse setzen könnten. „Ganz deutlich hat man es bei der Einführung der neuen Kirchengemeinderats-Mitglieder gespürt: Da standen alle Beteiligten durcheinander beisammen, nicht mehr nach den Bezirken, aus denen sie kamen. Das war ein ganz schöner Moment, an dem dieses Gefühl fast greifbar war: Wir sind Marli-Brandenbaum.“
Überprüfung der Gebäudestruktur
So erfreulich die Entwicklung in den vergangenen zwölf Monaten auch ist, die Gemeinde-Verantwortlichen machen keinen Hehl daraus, dass auch in Marli-Brandenbaum mittelfristig Einschnitte bevorstehen werden: „Wie alle anderen Gemeinden im Kirchenkreis überprüfen auch wir unsere Gebäudestruktur und wir wissen, dass wir nicht alle Standorte erhalten können“, sagt Hagen Sommerfeldt. Zwar gebe es in der Region Ost bereits intensive Gespräche mit den Nachbargemeinden. „Allerdings gibt es bislang keine konkreten Entscheidungen“, versichert Sommerfeldt weiter.
Trotz dieser großen und ganz sicher schweren Entscheidungen blickt Pastor Arne Kutsche hoffnungsvoll in die Zukunft: „Mit der Fusion haben wir begonnen, notwendige Veränderungsprozesse mutig anzupacken und aktiv zu gestalten. Ein Schritt, den wir nicht bereuen, ganz im Gegenteil. Denn in diesem Aufbruch steckt ganz viel Zuversicht: dass es bei allen Veränderungen mit unserer Kirche gut weitergehen wird."