Die Corona-Pandemie hat das Thema Flucht und die Not von Schutzsuchenden fast vollständig aus dem gesellschaftlichen Fokus gerückt. Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Pastorin Dietlind Jochims, und ihre Kolleg:innen in den Kirchenkreisen setzen mit ihrem digitalen Adventskalender einen gezielten Kontrapunkt. Zwei dieser #mutgeschichten stammen aus unserem Kirchenkreis.
Flüchtlingsbeauftragte kennt viele Schicksale
Elisabeth Hartmann-Runge ist Pastorin und seit sieben Jahren Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Sie kennt viele Lebensgeschichten geflüchteter Menschen, kann von schweren Schicksalen und schier grenzenloser Not berichten. Aber: „Ich kenne auch viele Beispiele, bei denen sich alles Hoffen, Bangen, Mutaufbringen, Durchhalten und Beten gelohnt hat.“ Mit zwei besonderen Geschichten bereichert die Pastorin den Fluchtkalender der Nordkirche.
24 #mutgeschichten im Advent
Seit sechs Jahren veröffentlicht die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, in der Vorweihnachtszeit einen digitalen Adventskalender. In diesem Jahr steht er unter dem Motto #mutgeschichten. „Jeden Tag gibt es einen ganz persönlichen Beitrag - von Geflüchteten ebenso wie von Helferinnen und Helfern aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern", erläutert Elisabeth Hartmann-Runge. Bis Weihnachten sind so 24 eindrucksvolle Geschichten zu lesen, die nachdenklich machen und ermutigen sollen.
"Der Lebensmut der Frau beeindruckte mich"
Die Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises erzählt die anonymisierte Geschichte einer jungen Frau, die mit ihrer Familie aus Afghanistan fliehen musste. „Wir haben diese fünfköpfige Familie, die bei uns im Kirchenasyl lebten, intensiv begleitet. Es beeindruckte mich von Anfang an, wieviel Lebensmut diese künstlerisch hoch talentierte Frau hat - trotz all der traumatisierenden Erlebnisse während der Flucht und der langen Ungewissheit, wie es hier in Deutschland für sie weitergehen würde“, berichtet die Pastorin. Das Verfahren endete positiv - „freundschaftlich verbunden sind wir bis heute.“
Ein familiäres Happy End in Lübeck
Auch die zweite Mutgeschichte hat ein positives Ende. „Es geht um eine Familie aus Afghanistan, die seit Jahren tausende Kilometer voneinander getrennt war und für die es immer wieder Rückschläge gab, bevor der Vater jetzt seine Frau und seinen mittlerweile neun Jahre alten Sohn in Sicherheit, hier in Lübeck wieder in die Arme schließen kann“, sagt Elisabeth Hartmann-Runge.
Kalender soll motivieren und sensibilisieren
Ziel des Kalenders und seiner Initiator:innen ist es, das globale Geschehen von Flucht und Verfolgung anhand konkreter Geschichten in den Fokus zu rücken und „die Menschen gleichermaßen zu motivieren, aber auch zu sensibilisieren, dass das Leid vertriebener und verfolgter Menschen trotz der Pandemie alltäglich ist.“ Die Bilder von der belarussischen Grenze hätten dies der Welt wieder einmal vor Augen geführt. „Noch immer hat sich an den Kernproblemen nichts geändert: Es gibt eine sich verschärfende große Ungleichheit der Lebensbedingungen und es bleibt eine Herausforderung, die Menschenrechte, die auf dem Papier stehen, wirklich einzulösen“, bekräftigt sie.
Corona-Pandemie erschwert Hilfe
Die Geschichten, die Elisabeth Hartmann-Runge und ihre Kolleg:innen im digitalen Fluchtkalender erzählen, zeigen den Mut, den viele Menschen aufbringen, um ihren Familien und sich ein neues Leben zu ermöglichen - ohne Angst, ohne Verfolgung, ohne Missbrauch. Es sind insbesondere Geschichten von Menschen, die etwas geschafft haben. „Vielleicht kann man von verzweifeltem Über-Mut sprechen, den Menschen auf der Flucht brauchen, um die zumeist unmenschlichen Strapazen zu überstehen“, betont die Pastorin und spricht von einer weiteren Form des Muts, den sie auch ganz persönlich spüre - Demut.
"Wir geben nicht auf, wir machen weiter!"
Die Corona-Krise erschwert auch die Beratung und Unterstützung für Geflüchtete im Kirchenkreis. Dennoch stimmt es die Flüchtlingsbeauftragte optimistisch, dass auch ohne große mediale Berichterstattung Solidarität und Hilfsbereitschaft an entscheidender Stelle funktionieren. „Als wir zum 1. Advents-Wochenende eine dringende Kirchenasyl-Anfrage hatten, da haben sich sofort Menschen zu einem Unterstützungskreis zusammengefunden. Das war eine gute Erfahrung und hat einmal mehr gezeigt: Es gibt viele, die sagen: Wir geben nicht auf, wir machen weiter“, berichtet Elisabeth Hartmann-Runge - und formuliert damit quasi eine weitere, persönliche Mutgeschichte.
Jeder kann seine Mutgeschichte erzählen
Der digitale Adventskalender der Nordkirche kann auch rückwirkend geöffnet werden. Wer möchte, kann überdies auch selbst Teil des Kalenders werden und seine persönliche Mutgeschichte erzählen. Möglich ist dies durch Postings auf der persönlichen Instagram-Seite unter dem Hashtag #mutgeschichten oder direkt als Upload von Bildern auf der Kalender-Seite.