Lübeck. Sensationsfund in der St.-Johannes-Kirche in Lübeck-Kücknitz: Bei den Vorbereitungen zur Sanierung des Kircheninnenraums sind Deckenmalereien entdeckt worden. Sie stammen offenbar von Anfang des 20. Jahrhunderts. Vergleichbare Funde gibt es in Norddeutschland nicht.
„Ein Schatz, der Laien und Fachleute elektrisiert“
Diese Schnörkel sind eine Sensation. An wenigen Stellen im Innenraum der St.-Johannes-Kirche in Kücknitz sind Malereien aus der Anfangszeit der ehemaligen Arbeiterkirche freigelegt. Sie deuten auf eine großflächige Bemalung der Holzdecke und der Emporenkonstruktion hin. „In Arbeiterkirchen gab es eigentlich keine Bemalungen“, erklärt Pastor Albrecht Martins aus Kücknitz. „Das ist ein Schatz, der Laien und Fachleute gleichermaßen elektrisiert“, so Martins.
Denkmalpflege Lübeck spricht von „herausragendem Phänomen“
Fasziniert ist auch der Bereich Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck. Er stuft den Kücknitzer Fund in einem Gutachten als „kunstgeschichtlich und sozialgeschichtlich herausragendes Phänomen“ ein. „Vergleichbare Malereien gibt es meines Wissens in ganz Norddeutschland nicht“, fügt Architekt Hanno Nachtsheim an. Das Gutachten der Hansestadt Lübeck hält die Malereien für „ein wertvolles Dokument“, das in direktem Zusammenhang steht mit der sogenannten Reformarchitektur, die Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam.
St.-Johannes-Kirche von bedeutendem Architekten erbaut
Ein bedeutender Vertreter dieser Architekturströmung war Carl Mühlenpfordt. Der Architekt zeichnet in Lübeck für viele markante Bauwerke verantwortlich, unter anderem die ehemalige Heilanstalt Strecknitz, das heutige VHS-Gebäude in der Falkenstraße, das katholische Gesellenhaus in der Parade, die Turnhalle der Katharineums sowie Teile des Drägerwerks und die Villa Dräger. 1909 heiratete Mühlenpfordt die Dräger-Tochter und Malerin Anna Dräger, 1910 schließlich entstand unter seiner Ägide auch die St.-Johannes-Kirche in Kücknitz.
Deckenmalereien sollen freigelegt werden
Ob Mühlenpfordt und seine Frau bei der St.-Johannes-Kirche zusammengearbeitet haben, Anna Dräger-Mühlenpfordt gar beteiligt war an den nun entdeckten Malereien, darüber lässt sich nur spekulieren. Bislang sei dies nur eine These, so das Gutachten des Denkmalschutzes. Doch auch, wenn dies nicht der Fall sein sollte: Die Kirchengemeinde Lübeck-Kücknitz will die Malereien auf jeden Fall freilegen lassen.
Umbau beginnt im Sommer 2023
Und: Die neuentdeckten Kunstwerke haben Einfluss auf die Neugestaltung des Kircheninnenraums, die im Sommer starten soll. In der St.-Johannes-Kirche soll dann alles hell und licht werden. „Die Grundfarbigkeit soll anhand der Malereien wiederhergestellt werden“, erklärt Architekt Nachtsheim von der Riemann Gesellschaft von Architekten mbH aus Lübeck. Die Funde hätten die Planungen schon etwas verändert, verrät der Architekt. Aber grundsätzlich sei so ein Fund aufregend und das Projekt daher einmalig, auch in den Augen des Profis.
Finanzierung durch Fördergelder und Spenden
Die Freilegungen der Malereien sollen im Zuge des Umbaus unter größter Sensibilität erfolgen, erklärt Pastor Martins. Und: Die übermalten Kunstwerke schieben den ursprünglichen Zeitplan etwas nach hinten. Sowohl Pastor Albrecht Martins als auch Architekt Hanno Nachtsheim rechnen über den Daumen mit eineinhalb Jahren Umbauzeit. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf rund 1,7 Millionen Euro. Vieles davon kommt über Fördermittel, einiges muss noch über Spenden gesammelt werden. Wenn alles fertig ist, gibt es in Lübeck-Kücknitz eine Kirche, die mit einmaligen Kunstwerken aufwarten kann.