Sandesneben. Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, hat zu mehr Besonnenheit und Verständigung in der aktuellen politischen Debatte um Flucht und Migration aufgerufen. Die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche besuchte jetzt die Flüchtlingsinitiative „Hoffnungsgrund e.V.“ in Sandesneben im Herzogtum Lauenburg.
Menschen nicht in Schubladen stecken
In einer Demokratie sei es notwendig, unterschiedliche Positionen kontrovers zu diskutieren, um zu Lösungen zu kommen. Dabei müsse aber die Menschlichkeit im Mittelpunkt bleiben. „In unseren Gesprächen mit Geflüchteten erfahren wir, wie sehr die derzeitige Debatte über Abschottung und Abschiebung Menschen, die bei uns leben, persönlich kränkt und verletzt“, sagte Bischöfin Fehrs. Nach den Terrorangriffen von Solingen und Mannheim beobachte sie eine zunehmende Polarisierung. „Solche Verbrechen sind entsetzlich und müssen unbedingt verhindert werden. Es kann aber nicht sein, dass die Folie dschihadistischer Fanatiker auf alle gelegt werde, die bei uns Schutz suchen“, so Bischöfin Fehrs. Allzu leicht würden Menschen einfach in Schubladen gesteckt. „Schubladen macht man zu und dann bleibt es dunkel. Ich möchte, dass wir hinschauen. Auch auf die Probleme, vor allem aber auf die Chancen, die wir gemeinsam in unserem Land haben“, so Bischöfin Fehrs. „Wir haben so viel zu teilen. Zu geben und zu nehmen.“
Bei ihrem Besuch in Sandesneben (4. Oktober 2024) bekräftigte Kirsten Fehrs noch einmal die klare Haltung der Kirchen zum Kirchenasyl. „Diese Jahrhunderte alte Tradition erinnert uns daran, barmherzig zu sein, mitmenschlich zu handeln, gefährdete, bedrohte, schwache Menschen zu schützen. Deshalb gewähren unsere Gemeinden in Härtefällen das Kirchenasyl – immer aus guten Gründen und nach sorgfältiger Prüfung. Davon werden wir nicht lassen.“
Initiative für Geflüchtete in der Region Lauenburg
Der Verein „Hoffnungsgrund“ setzt sich seit zehn Jahren für Geflüchtete in der Region Lauenburg ein. Kennzeichnend für die Initiative ist, dass sich Ehrenamtliche gemeinsam mit Vertreter:innen von Kirche, Kommune und Schule aus 25 Gemeinden um Hilfsangebote für Geflüchtete kümmern. Die amtierende Ratsvorsitzende würdigte den Verein als einen „im besten Sinne gelungenen Hoffnungs- und Verständigungsort.“ Um Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Überzeugungen miteinander ins Gespräch zu bringen, haben Diakonie und EKD die Dialog-Initiative #VerständigungsOrte ins Leben gerufen. „In einer aufgerauten Gesellschaft müssen wir zeigen, dass es Orte gibt, an denen wir mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenkommen und gemeinsam das Beste für alle wollen. Das funktioniert viel besser, als manche es für möglich halten und macht einmal mehr deutlich: die Humanität hat in unserem Land die Mehrheit“, so Bischöfin Fehrs.