Lübeck. Einmal im Monat - jeweils an einem Donnerstag - findet in Lübeck, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, eine besondere Trauerfeier statt. Ein kleiner ökumenischer Trauergottesdienst - für Menschen, die einsam verstorben sind. Die keine Angehörigen hatten - oder die keinerlei Kontakt mehr zu ihrer Familie pflegten. "Wir möchten, dass die Menschen, die als Kirchenmitglieder bis zu ihrem Tod unter uns gelebt haben, nicht einfach ohne christliches Geleit sang- und klanglos beerdigt werden", sagt Pastor Frank Gottschalk, Leiter der TelefonSeelsorge Lübeck.
Trauerfeier für Verstorbene ohne Angehörige
Wir - das sind neben ihm Pastorin Inga Meißner und Pastor Robert Pfeifer von St. Marien auch Pastor Peter Otto und Diakon Gernot Wüst von der katholischen Pfarrei Zu den Lübecker Märtyrern. "In ökumenischer Verbundenheit begleiten wir die Menschen auf ihrer letzten Reise". Unterstützt werden die Seelsorger:innen von dem Lübecker Bestatter Carsten Berend vom Beerdigungsunternehmen Gebrüder Müter, das in der Mühlenstraße Monat für Monat einen Trauersaal für die kleine Zeremonie zur Verfügung stellt und festlich herrichtet.
Kollektiv-Aussegnungen - so statisch und nüchtern die Bezeichnung auch ist, so würdevoll und feierlich sind die Trauerfeiern. „Es wird ein Psalm gebetet, aus dem Evangelium gelesen, eine Kerze für jeden Verstorbenen entzündet, ein Vaterunser und ein Segen gesprochen und ein Lied gesungen", fasst Frank Gottschalk zusammen. Besonders wichtig ist allen Beteiligten, dass noch einmal die Namen der Toten laut vorgelesen werden. "Niemand soll ungenannt bleiben", sagt Frank Gottschalk. Und Robert Pfeifer ergänzt: "Jeder Name soll noch einmal laut und klar erklingen."
"Keiner von uns lebt nur für sich selbst und keiner stirbt nur für sich selbst."
aus dem Brief des Paulus an die Römer 14, 7
Wann immer ein Mensch in Lübeck und Umgebung stirbt und keine Angehörigen auszumachen sind, übernehmen die Gesundheits- und Ordnungsämter die Sterbefälle, kümmern sich um die notwendigen Regularien, die Einäscherung des Leichnams und letztlich die anonyme Bestattung. "Wenn die Verstorbenen Mitglied der evangelischen oder der katholischen Kirche waren, werden wir in Kenntnis gesetzt und erinnern in unserem Trauergottesdienst an die Verstorbenen", berichtet der 57-Jährige.
Zahl der Kollektiv-Aussegnungen steigt
Auf einem kleinen Altar werden in dem Abschiedsraum zum Gottesdienst die Urnen platziert. Durchschnittlich wird 10 bis 15 Verstorbenen pro Monat gedacht - mitunter aber auch deutlich mehr. "In einem Gottesdienst waren es sogar einmal 22 Urnen", berichtet Frank Gottschalk. Rund 200 verstorbene Menschen werden in der Hansestadt Lübeck pro Jahr im Zuge der Kollektivaussegnungen verabschiedet. Und die Tendenz ist steigend. "Die Gesellschaft verändert sich, das spürt man deutlich. Es gibt immer mehr Menschen, die bitterlich einsam sind - bis in den Tod." Darum weiß Pastor Gottschalk nur zu gut, denn auch die TelefonSeelsorge bekommt sehr viele Anrufe von Menschen, die sich chronisch einsam und isoliert fühlen.
Obwohl diese Trauerfeiern prinzipiell öffentlich sind, kommen nur selten Trauernde zum Gottesdienst. Mit einer Ausnahme: "Es gibt einen kleinen Kreis von Mitgliedern aus der katholischen Pfarrei, die regelmäßig teilnehmen. Für sie ist es eine Art Christenpflicht, sie möchten den Verstorbenen Respekt zollen. Das beeindruckt und berührt uns immer wieder sehr", sagt Pastor Pfeifer.
Seit gut zehn Jahren gibt es nun diese besonderen Trauerfeiern in Lübeck - allerdings nur für Menschen, die Mitglied einer christlichen Kirche waren. "Für Menschen, die sich zu Lebzeiten keiner Kirche zugehörig fühlten, gibt es bislang keine weltlichen Trauerfeiern", bedauert Frank Gottschalk. Ein Missstand, den er gern mittelfristig ändern würde. "Natürlich möchten wir niemandem etwas überstülpen, entsprechend müsste inhaltlich ein Konzept erstellt werden, denn auch ohne religiöse Anbindung sollte ein Moment des Andenkens, das Entzünden einer Kerze im Rahmen einer gelebten Trauerkultur möglich werden".