Was war 2023 für ein Jahr? Ein gutes oder ein schlechtes? Was war schön, was weniger? Welche Erinnerungen und Gefühle bleiben? Neun Menschen aus dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg erinnern sich an ganz unterschiedliche Ereignisse, die für sie mit diesem Jahr in Verbindung stehen. Gedanken und Bilder.
Katrin Thomas, Synoden-Präses
Sieben unserer Enkelkinder wurden gemeinsam getauft, "sieben auf einen Streich", das Taufwasser aus dem Schaalsee angereichert mit dem der jeweiligen Herkunftsgewässer: Ammersee, Nordsee, Ostsee, Wakenitz und aus dem Golf von Thailand. Gäste aus Fern (Kanada, Rom, Bayern) und Nah waren Zeugen:
Kinder von evangelischen, ehemalig katholischen, buddhistischen, atheistischen und nach Gott suchenden Eltern, so kann eine Groß-Familie heute zusammentreffen mit allen Kindern, Schwiegerkindern und Enkelkindern sich darauf verständigen: Die Liebe und der Segen Gottes sind mit unseren Kindern, sie sollen in die Gemeinschaft der Christinnen und Christen aufgenommen sein. Was für ein Fest in Zeiten von Kriegen, Hunger, Elend und Zerstörung, in Zeiten, in denen Verbrechen an Kindern hingenommen werden und wir mit leeren Händen dastehen und zuschauen.
Und dennoch: ein Tauffest zu feiern in großer Gemeinschaft im Garten am See als Zeichen des Vertrauens in die Liebe Gottes. Gott sei Dank!
Kai Feller, Ökumene-Pastor
Erstmals durfte ein Protestant die katholische Messe feiern: "Mich berührten die Blicke der Gläubigen, als einer nach der anderen den Eucharistie-Wein empfing. Ich bin dankbar für meine Zeit mit indigenen Gemeinden auf der Insel Bohol, Philippinen. Die Iglesia Filipina Independiente hatte sich vor 120 Jahren von der Römischen Kirche losgesagt und verfolgt seitdem einen liberalen Kurs zugunsten Marginalisierter."
Ulf Kassebaum, Leiter Diakonie Ratzeburg
Woran ich mich im Rückblick auf das Jahr 2023 ganz sicher erinnern werde, ist weniger ein Moment. Es ist eine Atmosphäre oder Stimmung. Keine angenehme, um das vorweg zu nehmen. Es ist die in vielen Gesprächen und Begegnungen, in Entscheidungsprozessen und Lebensumständen, in der großen und kleinen Politik, in unserer Kirche und Diakonie vorherrschende Unsicherheit und Verunsicherung. Dabei ging und geht es um Krisen und Kriege, um Bedrohungen für einzelne und uns alle – eigentlich immer allerdings um unser Zusammenleben.
Für unser Diakonisches Werk drehte es sich ab Sommer vor allem um die Frage: Wie werden wir diese so wichtige soziale Arbeit, die wir für die Menschen in unserer Region leisten, sichern und fortsetzen können? Die Rückmeldungen zu unserer Arbeit bleiben einvernehmlich eindeutig: Ausgesprochen wertvoll und wichtig – ja unersetzbar.
Die Frage des Fachkräftemangels ist hierbei eine, die sich erst langsam bei uns bemerkbar macht. Eine Welle, die auf uns zurollt. Aktuell vorrangig sind es in unserem Fall Haushaltsentscheidungen, die auf sich warten ließen und lassen, die zur Verunsicherung führten: Bei Leitenden, bei Mitarbeitenden, bei den Menschen, die unsere Angebote in Anspruch nehmen. Viele Entscheidungen werden auch über den Jahreswechsel weiterhin ausstehen. Mit der Unsicherheit leben muss man, sie lieben wohl nicht. Was bleibt ist der Wunsch, dass der Wert des Engagements für Menschen und Menschlichkeit erkannt wird. Damit alle sich nach Kräften bemühen – auch durch die Bereitschaft, Haushaltsmittel in ausreichendem Maße dafür einzustellen – die wertvolle soziale Arbeit der Diakonien zu sichern.
Broder Feddersen, Kirchengemeinderat Seedorf-Mustin
Wie Sie sicher wissen, haben wir eine Vakanz von mehr als zehn Monaten hinter uns, nachdem Pastor Henschen im vergangenen Jahr noch in der Adventszeit seine neue Stelle in Hamburg St. Gertrud angetreten hatte. Das bedeutete, Advents- und Weihnachtsgottesdienste neu zu organisieren, dasgleiche setzte sich dann mit den Ostergottesdiensten und den anstehenden Konfirmationen in beiden Dörfern fort (die mit Hilfe der Vertretungspastoren geregelt werden konnten). Im Juni fusionierten die beiden Kirchengemeinden zur KG Seedorf-Mustin mit einem großartigen Fusionsfest in Groß Zecher am Schaalsee unter Beteiligung von Bischöfin Kirsten Fehrs und Propst Philip Graffam. Auf die Stellenausschreibung einer 50-Prozent-Stelle gab es dann eine sehr vielversprechende Bewerbung, Frau Pastorin Michaela Ehrich, für sie galt im Bewerbungsverfahren bischöfliche Ernennung. Pastorin Ehrich wurde im Erntedankgottesdienst am 1. Oktober 2023 durch Propst Philip Graffam in ihr Amt eingeführt. Welch eine Freude in der neuen Kirchengemeinde!
Katharina Schneider, Jugendreferentin
Im Rückblick auf das Jahr 2023 gab es viele Momente, die mich begeistert, beglückt, nachdenklich oder betroffen gemacht haben. Dass was berührt, bleibt in Erinnerung und findet einen Platz im Herzen.
Ein solcher Herzensmoment war für mich der Kirchentag im Juni in Nürnberg. Ein Projekt, dass meine Kollegin und mich gemeinsam mit zwanzig ehrenamtlichen Teamenden des Kirchenkreises schon Wochen und Monate vorher in der Planung beschäftigt hatte. Gemeinsam mit der jungen Nordkirche gestalteten wir eine „Meer-zeit“, ein Ort zum Chillen und Auftanken an Nord – und Ostsee und das mitten in Nürnberg. Vor Ort gab es verschiedene inhaltliche Angebote von uns, die das Thema des Kirchentags „jetzt ist die Zeit“ im Blick hatten. Im Bauch eines riesigen Fisches gab es 20 liebevoll gestaltete Themenboxen zu Zeitworten. Viele junge aber auch ältere Menschen ließen sich einladen, Zeit bei uns zu verbringen, über ihre Zeitfresser nachzudenken, Zeit zu verschenken, ihr Zeitgefühl zu testen oder auf Zeitreise zu gehen.
Nürnberg liegt ja bekanntermaßen nicht am Meer. Weil wir also keine Strandkörbe ausleihen konnten, reisten drei im Gepäck von Lübeck nach Nürnberg mit. Ein großes Dankeschön gilt an dieser Stelle, der Firma Seipel aus Travemünde, die dies ermöglichte. So konnten viele Strandkorbgespräche über Glauben, Jugendpolitik und Nachhaltigkeit geführt werden.
Am Ende des zweiten Tages saß Lenja, eine unserer Teamerinnen erschöpft auf einem Stuhl und behauptete noch nie so viel in ihrem Leben gelaufen zu sein. Ihre Füße hatten sich gefühlt verdoppelt. Und genau Lenja stand in der ChurchNight am 30. Oktober in Lübeck vor mir und sagte: „Du Kathi, Kirchentag das war meine schönste Zeit in diesem Jahr.“
Die Mitarbeit im Zentrum Jugend, zu sehen, wie die jungen Menschen unseres Kirchenkreises bei ihren Diensten über sich hinauswuchsen, die Tiefe der vielen Gespräche, die Freude von Kindern, Jugendlichen und Familien bei unseren Angeboten- all das war im Rückblick gelungen und macht mich dankbar. Dankbar auch gegenüber Gott für diese vielen Segensmomente.
Frank Gottschalk, Leiter Telefonseelsorge
"In meiner Freizeit bin ich gern auch zu ungewöhnlichen Tages- und Nachtzeiten in der Natur unterwegs und halte meine Augen und Ohren weit auf, um die heimische Tierwelt zu entdecken. Dabei hilft mir meine Kamera dabei, besondere Momente festzuhalten. Im Frühjahr 2023 habe ich mich sehr darüber gefreut, dass ich ganz regelmäßig über der Wakenitz zwischen Eichholz und Groß Grönau einen kreisenden Seeadler am Himmel beobachten konnte. Einen ausgewachsenen Seeadler erkannt man am weißen Stoß (Schwanz). Außerdem bietet so ein Seeadler mit seiner Flügelspannweite von bis zu 2,5 Metern einen majestätischen Anblick!
Die Fotos machen sehr deutlich, warum ein kreisender Seeadler am Himmel mit seinen breiten Schwingen auch als Fliegendes Gerüstbrett bezeichnet wird. Solche Adlersichtungen machen mich sehr dankbar und glücklich! Und ganz nebenbei: Sich mit wachen Sinnen in der Natur zu bewegen und sie zu genießen, ist völlig kostenlos!"
Margrit Wegner, Dom-Pastorin in Lübeck
Das Tauffest der Innenstadtkirchen im Altstadtbad Krähenteich war so ein himmlischer Tag! Das Wasser, der Himmel, der Segen - schöner und einfacher und ansprechender hätte es gar nicht sein können! Lauter glückliche
Gesichter, lauter strahlende große und kleine Taufkinder. Das war sicher nicht das letzte Fest dieser Art!
„Gräber, Grusel und Geschichten“ hat am 31. Oktober offenbar bei 300 Menschen einen Nerv getroffen. Es gibt so vieles, das Angst macht in der Welt! Die vielen verkleideten Kinder haben sich sehr ernsthaft mit ihren Ängsten auseinandergesetzt. Wir haben zusammen gegen die Angst angesungen, und wir haben überlegt, was Martin Luther gegen Angst und Schrecken gemacht hat. Ein tolles Format, das machen wir wieder!
Jaan Thiesen, Pastor in Berkenthin
Eine der größten Schwierigkeiten als Pastor ist es meiner Meinung nach, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Denn auf beiden Seiten sind persönliche Kontakte total wichtig und Zeit, die man dafür aufbringt. Mit der Familie geht es wahrscheinlich allen so, aber beruflich ist es bei mir schon doof, wenn man Menschen, mit denen man gut verbunden ist, nicht verheiraten kann, oder man nicht bei ihnen sein kann, wenn jemand stirbt, oder wenn man diese tollen Menschen nicht zum Geburtstag besuchen kann. Sich bei einer Beziehungsarbeit wie meiner eine Auszeit zu gönnen, ist darum nicht so leicht – für die Familie aber ein totaler Gewinn. Und darum ist mein „Ereignis 2023“ auch meine Elternzeit – mitten in der Hochzeitssaison im Mai.
Mit meiner Frau und meinen zwei Kindern waren wir drei Wochen in Italien und haben danach noch in Deutschland den Rest der Familie besucht. Es war eine absolute Wohltat, mehrere Wochen am Stück nichts mit der pastoralen Arbeit zu tun zu haben, aufzutanken und die anderen wichtigen (eher noch wichtigeren) Beziehungen in meinem Leben in den Fokus zu nehmen.
Elisabeth Hartmann-Runge, Flüchtlingsbeauftragte
Es gab in diesem Jahr 2023 sehr viele Momente, die mich haben zusammenzucken lassen: Diese vielstimmig artikulierte politische Entschlossenheit, mit einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) Menschen loszuwerden oder sie an den Außengrenzen der EU abzuweisen, weil es vermeintlich zu viele werden, die bei uns Schutz suchen. Demgegenüber die stärkende Erfahrung, dass es eine generationübergreifende Überzeugung gibt, wachsam und entschieden für Menschenrechte und Asyl einzutreten. Das haben wir zum Beispiel am 7. Juli in Lübeck getan – und werden es weiter tun.