Schwerin/Schleswig. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) wird nach Vorwürfen von Forschenden, die Kirchen hätten bei der ForuM-Studie zu sexuellem Missbrauch Akten zurückgehalten, alle entsprechenden Akten an die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein übergeben. „Ich begrüße es außerordentlich, dass die Generalstaatsanwaltschaft Akten und Vorwürfe prüft und somit eine größtmögliche Transparenz hergestellt wird“, erklärte der Präsident des Landeskirchenamtes Prof. Peter Unruh. Das Landeskirchenamt verantwortet die Dienstaufsicht über die Pastorinnen und Pastoren sowie der Mitarbeitenden der Landeskirche und führt entsprechende Disziplinarverfahren. Im Landeskirchenamt werden zudem die entsprechenden Akten geführt und verwaltet.
Unabhängige Überprüfung willkommen
„Die unabhängigen Ermittlungen und Überprüfungen der an ForuM gemeldeten Fälle seitens der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein sind uns als Nordkirche sehr willkommen, um das Vertrauen in unsere Kirche und unser entschiedenes Handeln gegen sexuellen Missbrauch wieder oder neu herzustellen,“ betonte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt. „Ich fände es naheliegend und nachvollziehbar, wenn auch in den anderen Bundesländern auf dem Gebiet der Nordkirche ähnliche juristische Verfahren in Erwägung gezogen würden“, so Kühnbaum-Schmidt.
Staatanwaltschaft durch Legalitätsprinzip zu Prüfung verpflichtet
In einem Schreiben vom 1. Februar 2024 hatte die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein die Nordkirche aufgefordert, mitzuteilen, ob Verdachtsfälle in den Abschlussbericht der ForuM-Studie eingeflossen sind, die sich in Schleswig-Holstein zugetragen haben. Die Staatsanwaltschaften seien im Rahmen des Legalitätsprinzips verpflichtet, allen ihnen bekannt gewordenen Hinweisen auf das Vorliegen einer Straftat nachzugehen, heißt es in dem Schreiben. Für die Prüfung etwaiger einschlägiger Fälle werde um Hergabe aller diesbezüglichen Unterlagen gebeten. Dies gelte uneingeschränkt auch dann, wenn mögliche Betroffene mit einer Bekanntgabe ihrer Fälle an die Strafverfolgungsbehörden nicht einverstanden seien, so die Generalstaatsanwaltschaft. Auslöser waren Vorwürfe von Forschenden des Forschungsverbundes „Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen“ (ForuM), mehrere Landeskirchen hätten benötigte Personalakten nicht zur Verfügung gestellt.
Grundlegender Kulturwandel notwendig
„Die Ergebnisse der ForuM-Studie führen uns überdeutlich vor Augen, dass wir uns mit offenen und verdeckten Machtstrukturen in unserer Kirche auseinandersetzen müssen. Es geht auch um eine intensive Befassung mit den Themen Sexualität, Gewalt, Macht und Geschlecht und deren kritische theologische Reflexion. Dazu brauchen wir neben den gesetzlichen Regelungen in unserer Kirche, die wir mittlerweile haben und konsequent anwenden, einen grundlegenden Kulturwandel“, hatte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt in einer ersten Einschätzung nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie am 25. Januar 2024 betont.
Lehren aus der ForuM-Studie konsequent umsetzen
Es gelte nun, die Lehren aus der ForuM-Studie konsequent umzusetzen, erklärte die Leitende Geistliche der Nordkirche. Dabei müssten die Sicht und die Bedürfnisse der Betroffenen entscheidend sein. Kristina Kühnbaum-Schmidt verwies dabei auf insbesondere auf die am 6. Februar 2024 veröffentlichte „Gemeinsame Erklärung der Landeskirchen und des Rates der EKD sowie des Bundesvorstandes der Diakonie Deutschland zur Aufarbeitungsstudie ForuM“ sowie auf die anstehende Evaluation des 2018 beschlossenen Präventionsgesetzes der Nordkirche. Auf ihren kommenden Tagungen im Februar 2024 werden sich die Kirchenleitung der Nordkirche und die Landessynode erneut mit der Thematik von sexualisierter Gewalt und deren Prävention auseinandersetzen. Alle in der Nordkirche müssten noch stärker als bisher darauf achten, dass die bereits bestehenden Regeln vollumfänglich angewendet und durchgesetzt werden. Wichtig dabei bleibe die Sensibilisierung aller Mitarbeitenden durch regelmäßige verpflichtende Schulungen und die ständige Weiterentwicklung von Schutzkonzepten, so die Landesbischöfin.
Hintergrund: das Landeskirchenamt der Nordkirche
Das Landeskirchenamt ist die oberste Verwaltungsbehörde der Nordkirche mit Sitz in Kiel und einer Außenstelle in Schwerin. Es verwaltet grundsätzlich alle Angelegenheiten der Landeskirche. Weitere Aufgaben liegen unter anderem in der Anregung, Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse der Kirchenleitung, der Beratung und Unterstützung der Kirchenkreise und Kirchengemeinden (inklusive der Aufsicht). Das Landeskirchenamt verantwortet die Dienstaufsicht über die Pastorinnen und Pastoren sowie der Mitarbeitenden der Landeskirche und führt entsprechende Disziplinarverfahren. Im Landeskirchenamt werden zudem die entsprechenden Akten geführt und verwaltet.